Schlagwort-Archiv: Oper

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Die Barbiere kommen!

„Ohne Bart ist ein Mann nicht richtig angezogen“, soll Salvador Dalí einmal gesagt haben. Womit der surrealistische Maler natürlich seinen exzentrischen Schnurrbart meinte. Heute liegt der „Dalí“ ebenso im Trend wie der „Chin Puff“ (der Bart für Einsteiger: cool), der „Sou Patch“ (Unterlippenbart: klein, aber fein), der ZZ-Bart (je länger, desto hipper) oder der durchgestylte Vollbart mit Moustache (sehr edel). Kurz gesagt: Bart ist wieder in. Und weil Mann sich sein Gesichtshaar gerne pflegen lässt, erlebt eine fast in Vergessenheit geratene Zunft ihr großes Revival: die Barbiere sind zurück!

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„Kunst macht das Leben erträglicher“

(Foto: Werner Kmetitsch)

(Foto: Werner Kmetitsch)

Format

Salzburg, Felsenreitschule. Im Saal der Kulisse Salzburg steht ein Podest mit einem Tisch und vier Stühlen. An der Seite von Ingo Metzmacher wird Peter Konwitschny später über die gemeinsame Arbeit an Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexiko“ sprechen. Konwitschny, 70, groß geworden in der DDR, zählt zu den wichtigsten Musiktheater-Regisseuren der Gegenwart. In Salzburg feiert der „Antichrist der Freunde der toten Oper“ sein spätes Festspieldebüt. Mit rosafarbenen Crocks, Jeans und legerem Hemd, die weißen Haare zu einem kleinen Zopf zusammengebunden, spricht er über die gemeinsame Arbeit an Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexiko“. Weiterlesen

Foto: Andreas J. Hirsch

Klingende Ostern

Lust und Leidenschaft, Rache, Angst und Eifersucht – starke Gefühle und große Namen wie Nina Stemme und Jonas Kaufmann erfreuen über die Osterfeiertage Klassikfans in Wien und Salzburg. Ein kleiner Leitfaden durchs Programm.

Wiener Staatsoper: Elektra

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Nina Stemme (Foto: Artists Management Zürich)

1903 besuchte Richard Strauss die Uraufführung von Hofmannsthals Tragödie „Elektra“ in Berlin – die beiden Herren hatten kurz zuvor einander in Paris kennen- und schätzen gelernt. Strauss, der zu diesem Zeitpunkt mit der Arbeit an seiner Oper „Salome“ beschäftigt war, erkannte wohl sofort das dramatische Potential des Stücks. Viele Jahre später schreibt er in seinen Betrachtungen und Erinnerungen: „Als ich zuerst Hofmannsthals geniale Dichtung sah, erkannte ich wohl den glänzenden Operntext und, wie seinerzeit in „Salome“, die gewaltige musikalische Steigerung bis zum Schluss. (…) Beide Opern stehen in meinem Lebenswerk vereinzelt da: ich bin in ihnen bis an die äußersten Grenzen der Harmonik, psychischer Polyphonie und Aufnahmefähigkeit heutiger Ohren gegangen“. Mit dem expressionistischen Einakter trafen der Komponist und sein kongenialer Textdichter den damaligen Zeitgeist: Sigmund Freuds „Studien über Hysterie“ waren soeben erschienen und in Wien drehte sich alles um Psychoanalyse. 1908 schrieb Strauss an den Dirigenten Ernst von Schuch: „Elektra ist fertig und der Schluss saftig geworden! Die Hauptrolle muss nun auf jeden Fall von der aller hochdramatischsten Sopranistinnen gegeben werden, über die Sie verfügen“. Weiterlesen

„Lachen hat noch niemandem geschadet“

Die Bühne

Eickhoff

Jonas Kaufmann (Foto: Gregor Hohenberg/Sony Music)

Liebe, Lust und Leidenschaft – starke Gefühle, und das gleich im Doppelpack: Mascagnis Cavalleria Rusticana und Leoncavallos I Pagliacci gelten als Inbegriff des italienischen Verismo und wurden schon kurz nach ihrer Uraufführung vor fast 120 Jahren zu einem Doppelabend zusammengeführt, schließlich ähneln sie einander nicht nur musikalisch: beide Kurzopern spielen im ländlichen Italien, in beiden geht es um Leidenschaft und Eifersucht, um Frauen, die ihre Ehemänner betrügen und um Liebhaber, die getötet werden. Im März sind die zwei Werke erstmals bei den Osterfestspielen Salzburg zu erleben. Der Star der neuen Inszenierung ist Jonas Kaufmann, der hier gleich zwei Rollendebüts feiert: als junger Sizilianer Turrido bei Mascagnis Cavalleria und als rachesüchtiger Ehemann Canio in Leoncavallos Komödiantentragödie I Pagliacci.
Zuletzt überraschte uns Jonas Kaufmann mit chicem Dreitagebart und altmodischem Mikrophon auf dem Cover seines neuen Albums „Du bist die Welt für mich“, nach dem gleichnamigen Hit von der Tenor-Legende Richard Tauber. Eine CD, auf der sich Jonas Kaufmann auf die Wurzeln der Operette zurückbesinnt, als intelligentes, freches und etwas verrücktes Entertainment. Wieder einmal hat sich Kaufmann neu erfunden, wieder einmal ist das Ergebnis schlichtweg genial. Schon lange hat man diese Stücke nicht mehr so frisch und lässig gehört. Im Interview spricht der Startenor über die vermeintlich leichte Muse, gelebte Emotionen auf der Bühne und erklärt, warum Musiktheater nicht immer so bierernst sein muss. Weiterlesen

Musischer Adventskalender 2014, Tür #15: Mozart brennt

CosiIch habe lange darauf gewartet, heute war es endlich soweit: in meinem Postkasten lag ein dickes Päckchen mit Mozarts Oper “Così fan tutte”, frisch aus dem Druck quasi. Es ist nach dem famosen “Figaro” der zweite Teil der Da-Ponte-Trilogie, die der Dirigent Teodor Currentzis mit seinem Ensemble MusicaAeterna in der Oper von Perm aufgenommen hat. Ich habe also ein paar Stunden Mozart gehört und bin begeistert. Wenn “Figaro” von der Revolution in der Gesellschaft und in der Kunst handelt, dann geht es in Così um die Unberechenbarkeit in der Liebe. Vom Libretto her ist “Così fan tutte” vielleicht die schwächste der Da-Ponte-Opern, und es ist manchmal schon ziemlich dämlich, was die einzelnen Herrschaften so von sich geben. Musikalisch gesehen, ist es hingegen Mozarts vielleicht schönste, ernsteste Oper. Currentzis Zugang zu Mozart war schon beim Figaro erfrischend neu. Hier setzt er noch einen drauf. Bei ihm ist Mozart dieser junge, göttliche Komponist geblieben, mit einem empfindsamen Herzen und einem brillanten Geist. Wieder sind die Tempi straffer, als wir es gewohnt sind; alles klingt präzise und virtuos, gleichzeitig aber auch zart und zerbrechlich. Currentzis und seinem Ensemble gelingt hier etwas Bemerkenswertes, nämlich, dass es auch Sinn macht, sich eine Oper auf CD anzuhören. Nicht nur, weil man sich so die leidige Debatte um Inszenierungen erspart – es geht hier einzig und allein um die Musik. Wenn wir eine Aufnahme hören, dann begegnen wir der Musik zu unseren eigenen Bedingungen. Einfach hinsetzen, Platte anhören und sich ganz der Musik überlassen – das hat etwas Befreiendes. Mozarts “Così fan tutte” präsentiert sich hier übrigens auch wieder in schönem Gewand: 3 CDs und ein üppiges Booklet in drei Sprachen, das neben dem Libretto auch ein spannendes Gespräch mit Theodor Currentzis bereithält.

Musischer Adventskalender 2014, Tür #1: Rival Queens

Rival Queens

Barocke Roben und Boxhandschuhe – so posieren die aus Alaska stammende Mezzosopranistin Vivica Genaux und  die deutsche Sopranistin Simone Kermes auf dem Cover ihres Albums „Rival Queens“. Dabei mimen sie die einstigen Barockstars Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni, die ihre Feindseligkeiten sogar offen auf der Bühne austrugen. Dem Publikum gefiel´s. Die beiden Sopran-Diven Genaux und Kermes lassen das Drama musikalisch wieder auferstehen und singen zusammen mit der Cappella Gabetta unter Andres Gabetta herrliche Opernarien von barocken Meistern, die es ohne die zwei Primadonnen womöglich nie gegeben hätte, darunter 12 Neueinspielungen. Neben Musik von Händel, Hasse oder Porpora erklingen  auch fast vergessene Komponisten wie Leo, Ariosti oder Sarro. Natürlich sind auch Ausschnitte aus jener Oper zu hören, in der der legendäre Opernskandal ausbrach: Giovanni Bononcinis Astianatte. Wer die beiden Primadonnen live erleben möchte, der hat demnächst die Gelegenheit dazu. Am 20. Jänner 2015 um 19 Uhr gastieren sie mit dem Programm Baroque Rivalries im Theater an der Wien.

 

Wo die Liebe nicht hinfällt

Die Bühne

Ted Huffman (Foto: Michael Hart)

Ted Huffman (Foto: Michael Hart)

Erst will sie, aber er nicht. Dann will er, aber sie nicht. Gegenseitige Zurückweisungen, Eifersucht, Langeweile und verpasste Chancen – Tschaikowskys Oper Eugen Onegin ist ein Stück über Menschen, die sich ihrer Gefühle und Beziehungen zu anderen nicht mehr versichern können; eine Geschichte über Menschen, die an der Gesellschaft, in der sie leben, mit all ihren Zwängen und ihrer Borniertheit, scheitern. Weiterlesen

Die lange Reise nach Babylon

Bühne

Jörg Widmann (Foto: Marco Borggreve)

Jörg Widmann (Foto: Marco Borggreve)

Jörg Widmann ist viel unterwegs. Wie immer hat er einen Vorrat an Notenpapier eingepackt – zum Komponieren. Wie Elektroden schießen die Noten durch seinen Kopf und selbst, wenn er zu schlafen versucht, rumoren die Kontrabässe weiter. Widmann sitzt in einem Hotel in Würzburg, wo ihm heuer beim Mozartfest ein Schwerpunkt gewidmet ist. Am Abend eröffnet er ebendieses mit Mozarts Klarinettenkonzert. Widmann liebt Mozart, mehr als jede andere Musik, deshalb soll es heute auch nur um ihn gehen. „Vielleicht schaffe ich es ja in den nächsten Tagen mein Schreibgerät hervorzuholen“. Überragender Interpret und Klangschöpfer, inspirierender Dozent und Dirigent – Widmann ist alles zugleich, alles mit der gleichen Leidenschaft und Ernsthaftigkeit. Wenn es um die Musik geht, ist alles scheinbar Gegensätzliche vereint.

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Figaro im Ural? Alles andere denn eine Qual!

Teodor Currentzis (Foto: Sony Classical)

Teodor Currentzis (Foto: Sony Classical)

Falter

Die Hochzeit des Figaro” ist eine von Mozarts populärsten Opern, es gibt unzählige Aufnahmen davon, manche besser, manche weniger gut. Lohnt es sich, die dramatischen Verstrickungen um einen heuchlerischen Grafen erneut auf Tonträger zu bannen? Teodor Currentzis, der sich als schräger Außenseiter zunächst einen Namen als Musikdirektor an der Oper von Nowosibirsk machte, ist ein genialer Coup gelungen. Er wurde nach Perm berufen, einer Stadt am Ural, wo er an der etwas angeranzten Oper für frischen Wind sorgen sollte.

Currentzis verstand es, Arbeitsbedingungen zu verhandeln, von denen jeder Intendant nur träumen kann: Er nahm sein Originalklang-Ensemble MusicAeterna mit und verlangte ausreichende finanzielle Mittel, das Orchester und einen Chor gut zu besolden, sowie unbegrenzte Probenzeit. In Perm hat sich Currentzis auch vorgenommen, Mozarts drei Da-Ponte-Opern auf CD einzuspielen. Kommenden Herbst steht die Aufzeichnung von „Don Giovanni” an, „Così fan tutte” ist bereits abgeschlossen, der „Figaro” ist soeben erschienen.

Currentzis serviert einen Mozart, der frei und unverbraucht klingt und der in seiner Interpretation so radikal wie schlüssig ist. Das gemeinhin als „opernhaft” Bezeichnete – übertriebenes Vibrato und überzeichnete Affekte – gibt es hier nicht. Stattdessen hören wir einen Vortrag von größter Intimität und staunen über die herrlichen Ornamente, die seine Sänger (Simone Kermes, Andrei Bondarenko, Christian van Horn, Fanie Antonelou) verwenden. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten, weil sie den straffen, klar definierten Klang liefern, der den Reiz dieser Musik ausmacht.

Currentzis geht über die Grenzen hinaus und zeigt, was möglich ist, wenn man die Fabrikmentalität des Klassik-Mainstreams meidet. Die Aufnahme rundet ein üppiges Booklet ab, in dem er seine Ansichten über Mozart darlegt.

Le Nozze di Figaro Mit Andrei Bondarenko, Simone Kermes, Fanie Antonelou, Christian van Horn u.a.  MusicaAeterna Leitung: Teodor Currentzis Sony Classical 42 Euro.

Le Nozze di Figaro
Mit Andrei Bondarenko, Simone Kermes, Fanie Antonelou, Christian van Horn u.a.
MusicaAeterna
Leitung: Teodor Currentzis
Sony Classical
42 Euro

“Die Stimme ist der Spiegel unserer Seele”

Format

Chen Reiss (Foto: Baldvinsson & Betz)

Chen Reiss (Foto: Baldvinsson & Betz)

Es ist früher Nachmittag, typisches Wiener Novemberwetter, eine Mischung aus Nebel und Nieselregen. Chen Reiss hat ein Treffen in einem Kaffeehaus in der Innenstadt vorgeschlagen, nur wenige Gehminuten von der Staatsoper entfernt, wo sie später mit dem Korrepetitor zum Proben verabredet ist. Sie kommt in einem kurzen, eleganten Kleid und hohen Stiefeln, trägt Schwarz, die langen Haare zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Todschick sieht die 34-Jährige aus, dazu dieses unverschämt glückliche Strahlen in ihren Augen.

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