Die Erfindung des Neuen

Bühne 10/2017

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Noche de los muertos – proyecciones / 1. November, 17 Uhr, Echoraum, Sechshauserstraße 66 (Foto: Greg Pope)

Seit 2016 ist Bernhard Günther künstlerischer Leitung von Wien Modern. Seine erste Saison stellte er unter das Motto „Letzte Fragen“ und bescherte dem Festival Rekordzahlen. 2017 stellt er die „Bilder im Kopf“ in den Mittelpunkt des Festivals. Zum Interview ist man via Skype verabredet, denn Bernhard Günther ist in Basel, wo dieser sein kleines Zweitfestival, wie er es selbst nennt, eröffnet wird: die Zeit-Räume Basel – Biennale für neue Musik und Architektur. Immer wieder klingelt das Telefon – Vienna calling. Der Cellist und Musikwissenschaftler hat sich in diesem Jahr für Wien Modern einiges vorgenommen: überraschend, bunt und fantasievoll soll es werden. Ein Gespräch über Nischen, Klischees und akustisches Kopfkino.

Herr Günther, was ist das Besondere an einem Festival wie Wien Modern? 

Die Vielfalt. Einen ganzen Monat lang finden an 26 Spielstätten in 11 Wiener Gemeindebezirken über 100 Veranstaltungen mit 73 Ur- und Erstaufführungen statt – vom Konzerthaus und dem Musikverein über das Museumsquartier bis hin zu Galerien, Kinos und Museen. Es sind die großen Orchester der Stadt dabei, manche sogar mehrfach. Gleichzeitig gibt es bei uns ganz junge Ensembles, Künstlerinnen und Komponisten zu entdecken. Das ist in dieser Breite und Dimension international gesehen einzigartig. Weiterlesen

“Ich habe die Beatles vergöttert”

Falter 24/17

Foto:  Gudrun Kramer

Foto: Gudrun Kramer

Brad Lubman heißt der diesjährige Composer in Residence beim Musikfestival Grafenegg, das am 22. Juni eröffnet wird. Der amerikanische Komponist und Dirigent präsentiert hier nicht nur seine Tonkünste, sondern erarbeitet im Rahmen des Composer-Conductor-Workshops “Ink Still Wet” auch die noch tintenfrischen Werke fünf junger Komponisten. Weiterlesen

Raritäten aus der barocken Schatzkiste

FALTER 35/17

Wolfram Schurig (Foto: Judith Krasser Schurig)

Wolfram Schurig (Foto: Judith Krasser Schurig)

Zu Lebzeiten war Giovanni Battista Somis einer der berühmtesten Geigenvirtuosen in Europa. ,,Ein einziger Bogenstrich dauerte so lange, dass es einem selbst in der Erinnerung daran den Atem verschlägt”, schrieb ein Kritiker im Jahr 1740. Dass Somis, der bei Corelli studiert und sich später als Pädagoge einen Namen gemacht hat, auch ein begabter Komponist war, ist heute kaum bekannt. Zu Unrecht, findet der Vorarlberger Blockflötist und Komponist Wolfram Schurig. Für das Album “Nostalgia” (Fra Bernardo) hat er die Blockflötensonaten gemeinsam mit Johannes Hämmerle am Cembalo erstmals für CD eingespielt: fein auskomponierte, stimmungsvolle Barockmusik, die Somis virtuos bis in die entlegensten Tonarten modulieren lässt. Weiterlesen

Es bleibt in der Familie: Musik von Bach & Sons

FALTER 24/17

Jean Rondeau (Foto: Baghir)

Jean Rondeau (Foto: Baghir)

Aller guten Dinge sind drei, hat sich Sebastian Knauer wohl gedacht und nach den Alben “ÜberBach” und “Bach &Sons” seine Auseinandersetzung mit dem musikalischen Erbe des barocken Großmeisters fortgesetzt. Begleitet vom Zürcher Kammerorchester widmet er sich auf “Bach & Sons 2″ (Berlin Classics) neben den beiden Konzerten BWV 1055 und BW 1056 auch echten Raritäten, etwa dem virtuosen f-Moll-Konzert von Johann Christian Bach oder jenem des berühmtesten Sohns, Carl Philipp Emanuels. Den Höhepunkt bildet J.S. Bachs Tripelkonzert BWV 1044, das Knauer mit seinen Freunden und langjährigen Wegbegleitern Daniel Hope (Geige) und Philipp Jundt (Flöte) musiziert. Fortsetzung unbedingt erwünscht! Weiterlesen

Wie Engel klingen? Womöglich so!

FALTER 20/17

Terry Wey (Foto: Paris Mexis)

Terry Wey (Foto: Paris Mexis)

“Eine Entdeckung, die überfällig ist”, schrieb die Süddeutsche Zeitung kürzlich über den 31-jährigen schweizerisch-US-amerikanischen Countertenor Terry Wey. Jetzt ist das erste Soloalbum “Pace e guerra” (dhm) erschienen. Ursprünglich wurden die 14 Arien für den italienischen Kastraten Antonio Maria Bernacchi (1685-1756) komponiert, einen der berühmtesten Sänger seiner Zeit. Terry Wey adelt jede Nummer; wunderbar auch, wie er sich an das hervorragend aufspielende Bach Consort Wien schmiegt. Weiterlesen

Liebe und Schmerz zwischen Himmel und Erde

FALTER 16/17

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Jonas Kaufmann (Foto: Gregor Hohenberg / Sony Classical)

Jonas Kaufmann ist immer wieder für Überraschungen gut. Im Musikverein wagte er sich vergangenen Juni an der Seite der Wiener Philharmoniker unter Jonathan Nott an Gustav Mahlers “Lied von der Erde” und interpretierte die Parts von Tenor und Bariton (bzw. Alt) im Alleingang. Ein gewaltiger Kraftakt, zumal Kaufmann die Monate zuvor sämtliche Auftritte krankheitsbedingt auf Eis gelegt hatte. Das Konzert wurde mitgeschnitten und ist nun auf CD (Sony) nachzuhören, mit Kaufmann als singenden Erzähler zwischen Himmel und Erde. Weiterlesen

Wider das Vergessen – Musik aus dem Exil

FALTER 13/17

Foto: Gidon Kremer Stiftung

Foto: Gidon Kremer Stiftung

Mieczysław Weinberg? Dieser Name war bis vor Kurzem bestenfalls Kennern ein Begriff. Zu lang ist der Schatten, den sein Förderer und Freund Dmitri Schostakowitsch auf die Musik der Sowjetunion warf. 1919 in Warschau geboren, floh Weinberg mit 19 vor der Wehrmacht erst nach Minsk und später nach Taschkent, ehe ihn Schostakowitsch 1943 schließlich nach Moskau holte, wo er bis zu seinem Tod 1996 lebte. Zu seinen wichtigsten Fürsprechern gehört Gidon Kremer, der nun das ausgezeichnet musizierte Doppelalbum “Mieczyslaw Weinberg: Chamber Symphonies” (ECM) mit den vier Kammersymphonien sowie einem Arrangement des Klavierquintetts veröffentlicht hat: unglaublich packende Musik, eine Lebensgeschichte in Tönen. Weiterlesen

Dreierlei vom polnischen Allerlei

FALTER 10/17

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Mit nur 21 Jahren gewann Seong-Jin Cho 2015 den renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerb, jetzt ist die erste Studioaufnahme “Piano Concerto No. 1 – Ballades” (Deutsche Grammophon) erschienen. Neben vier Balladen spielt der Koreaner das Klavierkonzert No. 1 mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Gianandrea Noseda. Überschreiben ließe sich Chos Spiel vor allem mit dem Begriff “cantabile”, singend. Hier gibt es keine großen Gefühlsausbrüche, dafür umso mehr Poesie und Intimität. Ein wenig vermissen lässt Seong-Jin Cho die Ecken und Kanten, das Abgründige in Chopins Musik – wir schieben es einfach einmal aufs jugendliche Alter. Weiterlesen

Drei Quartette, zwei gestreichelt und eines gezupft

FALTER 06/17

Foto: Thurstan Redding

Tippett Quartet (Foto: Thurstan Redding)

Die intimste aller Musikformen” nannte der britische Komponist William Alwyn das Streichquartett und komponierte sein erstes Opus für diese Formation bereits im jungen Alter von 15 Jahren. Es folgte noch ein Dutzend weiterer Quartette, die jedoch bald im Schatten von Alwyns weit populäreren Filmmusiken standen und aus den Konzertprogrammen verschwanden. Auch auf Tonträger ist die Ausbeute mager. Weiterlesen

Ach, ach, ach – drei Variationen von Meister Bach

FALTER 03/17

Nemanja Radulovic (Foto: Charlotte Abramow / DG)

Nemanja Radulovic (Foto: Charlotte Abramow / DG)

Johann Sebastian Bach (1685-1750) war nicht nur ein ausgesprochener Vielschreiber, sondern er hat, wie zur Zeit des Barock üblich, auch immer wieder Werke anderer Komponisten sowie eigene Werke bearbeitet und transkribiert. Daran erinnert Nemanja Radulović mit seinem neuen Album “Bach” (Deutsche Grammophon). Der serbische Geiger ließ dafür drei seiner Lieblingswerke neu arrangieren: die Toccata & Fuge, die Chaconne sowie die berühmte Air aus der Orchester-Suite in D-Dur. Für Traditionalisten sind die kühnen, fast schon rockigen Arrangements, in denen Radulović seine beeindruckende Virtuosität beweist, bestimmt eine Herausforderung. Ein echter Glücksgriff hingegen ist das wunderbare, viel zu selten gespielte Bratschenkonzert, bei dem der Geiger selbst an der Viola zu hören ist. Weiterlesen