Schlagwort-Archiv: Jonas Kaufmann

Liebe und Schmerz zwischen Himmel und Erde

FALTER 16/17

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Jonas Kaufmann (Foto: Gregor Hohenberg / Sony Classical)

Jonas Kaufmann ist immer wieder für Überraschungen gut. Im Musikverein wagte er sich vergangenen Juni an der Seite der Wiener Philharmoniker unter Jonathan Nott an Gustav Mahlers “Lied von der Erde” und interpretierte die Parts von Tenor und Bariton (bzw. Alt) im Alleingang. Ein gewaltiger Kraftakt, zumal Kaufmann die Monate zuvor sämtliche Auftritte krankheitsbedingt auf Eis gelegt hatte. Das Konzert wurde mitgeschnitten und ist nun auf CD (Sony) nachzuhören, mit Kaufmann als singenden Erzähler zwischen Himmel und Erde. Weiterlesen

Foto: Andreas J. Hirsch

Klingende Ostern

Lust und Leidenschaft, Rache, Angst und Eifersucht – starke Gefühle und große Namen wie Nina Stemme und Jonas Kaufmann erfreuen über die Osterfeiertage Klassikfans in Wien und Salzburg. Ein kleiner Leitfaden durchs Programm.

Wiener Staatsoper: Elektra

stemme

Nina Stemme (Foto: Artists Management Zürich)

1903 besuchte Richard Strauss die Uraufführung von Hofmannsthals Tragödie „Elektra“ in Berlin – die beiden Herren hatten kurz zuvor einander in Paris kennen- und schätzen gelernt. Strauss, der zu diesem Zeitpunkt mit der Arbeit an seiner Oper „Salome“ beschäftigt war, erkannte wohl sofort das dramatische Potential des Stücks. Viele Jahre später schreibt er in seinen Betrachtungen und Erinnerungen: „Als ich zuerst Hofmannsthals geniale Dichtung sah, erkannte ich wohl den glänzenden Operntext und, wie seinerzeit in „Salome“, die gewaltige musikalische Steigerung bis zum Schluss. (…) Beide Opern stehen in meinem Lebenswerk vereinzelt da: ich bin in ihnen bis an die äußersten Grenzen der Harmonik, psychischer Polyphonie und Aufnahmefähigkeit heutiger Ohren gegangen“. Mit dem expressionistischen Einakter trafen der Komponist und sein kongenialer Textdichter den damaligen Zeitgeist: Sigmund Freuds „Studien über Hysterie“ waren soeben erschienen und in Wien drehte sich alles um Psychoanalyse. 1908 schrieb Strauss an den Dirigenten Ernst von Schuch: „Elektra ist fertig und der Schluss saftig geworden! Die Hauptrolle muss nun auf jeden Fall von der aller hochdramatischsten Sopranistinnen gegeben werden, über die Sie verfügen“. Weiterlesen

„Lachen hat noch niemandem geschadet“

Die Bühne

Eickhoff

Jonas Kaufmann (Foto: Gregor Hohenberg/Sony Music)

Liebe, Lust und Leidenschaft – starke Gefühle, und das gleich im Doppelpack: Mascagnis Cavalleria Rusticana und Leoncavallos I Pagliacci gelten als Inbegriff des italienischen Verismo und wurden schon kurz nach ihrer Uraufführung vor fast 120 Jahren zu einem Doppelabend zusammengeführt, schließlich ähneln sie einander nicht nur musikalisch: beide Kurzopern spielen im ländlichen Italien, in beiden geht es um Leidenschaft und Eifersucht, um Frauen, die ihre Ehemänner betrügen und um Liebhaber, die getötet werden. Im März sind die zwei Werke erstmals bei den Osterfestspielen Salzburg zu erleben. Der Star der neuen Inszenierung ist Jonas Kaufmann, der hier gleich zwei Rollendebüts feiert: als junger Sizilianer Turrido bei Mascagnis Cavalleria und als rachesüchtiger Ehemann Canio in Leoncavallos Komödiantentragödie I Pagliacci.
Zuletzt überraschte uns Jonas Kaufmann mit chicem Dreitagebart und altmodischem Mikrophon auf dem Cover seines neuen Albums „Du bist die Welt für mich“, nach dem gleichnamigen Hit von der Tenor-Legende Richard Tauber. Eine CD, auf der sich Jonas Kaufmann auf die Wurzeln der Operette zurückbesinnt, als intelligentes, freches und etwas verrücktes Entertainment. Wieder einmal hat sich Kaufmann neu erfunden, wieder einmal ist das Ergebnis schlichtweg genial. Schon lange hat man diese Stücke nicht mehr so frisch und lässig gehört. Im Interview spricht der Startenor über die vermeintlich leichte Muse, gelebte Emotionen auf der Bühne und erklärt, warum Musiktheater nicht immer so bierernst sein muss. Weiterlesen

Musischer Adventskalender 2014, Tür #8: Jonas Kaufmann Superstar

Jonas KaufmannDie Überraschung ist groß, als vor einigen Wochen Post von Jonas Kaufmann im Postkasten liegt. Mit chicem Dreitagebart, schmachtendem Blick und altmodischem Mikrophon posiert der Tenor auf dem Cover seines neuen Albums „Du bist die Welt für mich“, nach dem gleichnamigen Hit von der Tenor-Legende Richard Tauber. Kaufmann singt jetzt Operette? Ja, und wie! Schon lange hat man diese Stücke nicht mehr so frisch und lässig gehört. Unterschätztes, dabei höchst forderndes Repertoire und jede Menge geniale Melodien, die Kaufmann mit viel Tiefgang interpretiert, ohne dabei die Leichtigkeit zu verlieren. Ob als großer Verführer in Lehárs Frasquita oder mit leicht verschmuster Peter-Alexander-Stimme in Abrahams Diwanpüppchen – Jonas Kaufmann findet für jede Stimmung den richtigen Ton. Rührend besingt er Kálmáns „Grüß mir mein Wien“, schmettert die unvergesslichen Gassenhauer der 30er-Jahre, à la „Dein ist mein ganzes Herz“ oder „Du bist die Welt für mich“ und schleudert zum Abschluss in Künnekes „Lied vom Leben des Schrenk“ noch ein hohes C hinaus. Dass die Melodien von Benatzky, Stolz und Abraham hier modern und leichtfüßig klingen, liegt nicht zuletzt an den sehr geschmackvollen, nah am Original geschriebenen Arrangements von Andreas M. Tarkmann sowie am wunderbar swingenden  Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Jochen Rieder. Und weil viele der Originale heute nicht mehr existieren, orientierte man sich eben an den verrauschten Aufnahmen von damals. Was die Operette angeht, so sei die Zeit reif für eine Revival, findet Jonas Kaufmann, vorausgesetzt man hat großartige Sänger und einen Regisseur, der den Charme, den Witz und die Ernsthaftigkeit dieser Stücke richtig verkaufen kann. Vielleicht erleben wir Jonas Kaufmann ja demnächst als Eisenstein in Strauss’ Fledermaus auf der Bühne oder als Graf Danilo in der Lustigen Witwe. Die Chancen dafür stehen gut. Mal sehen, wohin ihn die Reise als nächstes führt.

Kommenden Samstag (13. 12)  gestaltet Jonas Kaufmann einen Liederabend im Wiener Konzerthaus mit Werken von Robert Schumann und Richard Strauss, im Frühling (14. Mai) führt ihn seine Operettenreise im Rahmen der „Great Voices“ eben hierher. Gleich zwei Rollendébuts stehen bei den Osterfestspielen Salzburg an: als Turrido und als Canio in den beiden Einaktern von Mascagni (Cavalleria rusticana) und Leoncavallo (Pagliacci). Im Sommer kehrt Kaufmann als Florestan in Beethovens Fidelio nach Salzburg zurück.

 

Wo die Oper spielt: im trauten Heim natürlich

Falter

RCOC-©Carlos Pericás

Juan Carlos Pericás

Opern für die Hi-Fi-Anlage zu Hause braucht es das denn? Ja, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens spart man sich die leidige Debatte um Inszenierungen, es geht hier einzig und allein um die Musik. Und zweitens ist der regelmäßige Besuch eines Opernhauses ein sehr kostspieliger Spaß. Der Mitschnitt von Beethovens „Fidelio“ (Decca) kommt da gerade recht. 2010 wurde die Oper beim Lucerne Festival aufgeführt, bis zu 320 Euro musste man für eine Karte lockermachen. Die Doppel-CD kostet einen Bruchteil davon und sorgt auch ohne Bühne für ein unglaubliches Hörerlebnis. Unter Claudio Abbado klingt das Werk noch eindringlicher, exzellent ist auch die Rollenbesetzung: Nina Stemme als Leonore steht mit Jonas Kaufmann der zurzeit wohl beste Florestan zur Seite.

Als Geheimtipp gelten die Werke des Katalanen Domènec Terradellas. „Sesostri“ (RCOC) ist eine typische Opera seria: der Stoff spielt in der Antike, es geht um Liebe, Rache, Macht und Mord. Musikalisch bietet Terradellas eine dichte Dramaturgie und raffiniert orchestrierte Arien. Zudem hat Juan Bautista Otero ein erstklassiges Ensemble um sich geschart. Sunhae Im in der Titelrolle klingt zwar ein wenig aufgesetzt, Alexandrina Pendatchanska als Sesostris Mutter Nitocri und Kenneth Tarver in der Rolle des ägyptischen Tyrannen Amasi sind dafür hervorragend besetzt.

„A newly-discovered operatic mas- terpiece by G.F. Handel as world premiere recording“ verspricht der Sticker auf der CD „Germanico“ (dhm/ Sony). Entdeckt wurde das Manuskript 2007 in einer florentinischen Bibliothek. Ob das Werk nun tatsächlich Georg Friedrich Händel zuzuschreiben ist oder nicht – die Abschrift stammt nicht vom Komponisten, trägt aber den Vermerk „Del Sigr Hendl“ –, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. Hinzu kommt, dass „Germanico“ keine Oper ist, sondern eine Serenade. Gerade deshalb eignet sich das kurzweilige Stück gut als Futter für den CD-Player, zumal es mit tadellosen Barocksängern aufwartet, allen voran Sara Mingardo in der Titelpartie des Germanico.