Wo die Liebe nicht hinfällt

Die Bühne

Ted Huffman (Foto: Michael Hart)

Ted Huffman (Foto: Michael Hart)

Erst will sie, aber er nicht. Dann will er, aber sie nicht. Gegenseitige Zurückweisungen, Eifersucht, Langeweile und verpasste Chancen – Tschaikowskys Oper Eugen Onegin ist ein Stück über Menschen, die sich ihrer Gefühle und Beziehungen zu anderen nicht mehr versichern können; eine Geschichte über Menschen, die an der Gesellschaft, in der sie leben, mit all ihren Zwängen und ihrer Borniertheit, scheitern.

Der amerikanische Regisseur Ted Huffman begibt sich mit der Bühnenadaption von Puschkins Roman auf Entdeckungsreise in die Figurenwelt der wohl berühmtesten russischen Liebesgeschichte, die eigentlich gar keine ist. Der Stoff wurde eigens für die Kammeroper neu adaptiert: statt der üblichen zehn Sänger stehen bei Huffman nur die fünf Hauptprotagonisten auf der Bühne – Tatjana, Olga, Eugen Onegin, Lenski und Fürst Gremin. Ein Mann neben ihnen führt durch die Geschichte; mal schlüpft er in die Rolle von Onegins Ankleidehilfe, mal tritt er als Ballgast auf. Ted Huffman beschreibt ihn als abstrakt agierenden Figur, eine Mischung aus stummem Erzähler und aufmerksamem Beobachter, der immer wieder eine Brücke hinüber in die vergangene Zeit baut. Statt des klassischen Antihelden zeichnet Huffman das Bild eines ungewohnt aufrichtigen Onegin: „Ich sehe in ihm keinen egomanen Lebemann, der bereit ist über Leichen zu gehen, sondern ein Mann der es ablehnt, sich gesellschaftlich anzupassen. Viele seiner Handlungen passieren aus Protest und nicht aus Boshaftigkeit. Wenn er Tatjana zurückweist, dann tut er das nicht, um sie mutwillig zu verletzten, sondern weil er sich zu diesem Zeitpunkt nicht binden will. Er ist eben gnadenlos ehrlich.” Am Ende der Oper dreht sich das Blatt: der nach Jahren doch noch entflammte Onegin scheint für die einst in ihn verliebte Tatjana nur noch eine ferne Erinnerung aus ihrer Jugend zu sein. Bei ihr, der inzwischen bestens situierten Fürstin Gremina, ist für Onegin nichts mehr zu holen. Was bleibt sind Leere, Einsamkeit und Beziehungslosigkeit.

Die Bühne, sagt Ted Huffman, soll als Spiegel der seelischen und landschaftlichen Stimmungen dienen. „Der Raum hier verlangt einen neuen, sehr intimen Zugang zum Stück und er ermöglicht einen unmittelbaren Einblick in die Gesellschaft, die Puschkin beschreibt. Ich möchte das Unsichtbare sichtbar und äußere Ablenkung den Blick für das Innere der Figuren frei machen. Der Zuschauer soll selbst herausfinden, mit wem er sich identifizieren will“.

Eugen Onegin ist ein Stoff ohne viel klassische Opern-Dramatik. Tschaikowsky hat ausdrücklich keine Oper, sondern „lyrische Szenen“ geschrieben, Kammermusik für das Theater sozusagen. So wie Alexander Puschkin wollte er das russische Alltagsleben des 19. Jahrhunderts auf die Bühne bringen. Schlicht und menschlich sollte es zugehen in seinem Stück, und genau hier setzt Ted Huffman mit seiner Inszenierung an. „Die Oper gelingt dann, wenn man die Menschen ernst nimmt und versucht, die komplizierte Wahrheit ihrer Charaktere zu beschreiben. Wir erleben bei Tschaikowsky wie Leute leben, wie es früher war und heute vergessen ist, und auch wie Onegin plötzlich von der Vergangenheit eingeholt wird. Es geht um das Spiel mit den Menschen und mit ihren Gefühlen – echten und unechten, eigenen und geborgten.”

Wiener Kammeroper
Peter Iljitsch Tschaikowsky
Eugen Onegin

Premiere: Do., 2. Oktober, 19 Uhr

Dirigent: Peter Valentovic
Regie: Ted Huffman
Ausstattung: Samal Blak
Besetzung: Viktorija Bakan (Tatjana),
Natalia Kawalek-Plewniak (Olga),
Tobias Greenhalgh (Onegin),
Vladimir Dmitruk (Lenski),
Christoph Seidl (Gremin)

Weitere Infos & Termine: www.kammeroper.at