Kategorie-Archiv: Portraits

Französin im Frack

Laurence Equilbey (Foto: Naive Records)

Laurence Equilbey (Foto: Naive Records)

Es kommt nicht oft vor, dass man ein Interview mit einer Dirigentin führen darf. Und wenn es nach dem russischen Dirigenten Vasily Petrenko geht, dann soll das ruhig auch in Zukunft so bleiben. In einem Gespräch mit der norwegischen Tageszeitung „Aftenposten“ erklärte der Chefdirigent des Royal Liverpool Philharmonic und der Oslo Philharmonic, dass Frauen nicht vor ein Orchester gehören. Nicht nur, weil sich Job und Familie so schwer miteinander vereinbaren ließen. Wenn ein hübsches Mädchen am Pult steht, könne das die Musiker auf andere Gedanken bringen, so Petrenko. Frauen versprühten einfach zu viel sexuelle Energie, was einen „größeren Fokus auf die Musik“ verhindere. Auch wenn Petrenko mittlerweile aufgrund des Gegenwinds zurückrudern musste – einer Frau am Pult haftet selbst im Jahr 2015 etwas Exotisches an. Der Dirigentenberuf ist einer der letzten Bastionen männlicher Vorherrschaft. Weiterlesen

Begegnung im Herbst

Aaron Pilsan (Foto: Franck Juery / Naïve)

Aaron Pilsan (Foto: Franck Juery / Naïve)

Der Text entstand für das CD-Booklet bei Naive

Im Februar hörte ich Aaron Pilsan zum ersten Mal. Im prachtvollen Schubert-Saal des Konzerthauses gab er an der Seite von Schauspielerin Dörte Lyssewski sein Wien-Debüt. Gemeinsam gestalteten sie eine Matinee im Rahmen des Zyklus „Musik und Dichtung“ – sie las aus Arthur Schnitzlers Erzählung „Der Mörder“, er spielte Brahms und Schönberg. Kein Virtuosenfutter, sondern Musik, die zwischen versunkener Wehmut, keckem Schelm und dämonischem Schrecken, tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken ließ. Pilsan war gerade neunzehn geworden, ein schlanker Jüngling mit Smoking und Fliege, dunklem dichten Haar und einem schüchternen Lächeln auf den Lippen. Der Saal war bis in die hintersten Reihen gefüllt, sogar auf der Bühne hatte man Sesseln platziert, und die Mittagssonne schien den Menschen ins Gesicht, sodass manche ihre Augen schlossen, damit sie nicht geblendet werden. Als Aaron Pilsan die Bühne betrat, ging plötzlich ein Rascheln durch den Saal. Wer war dieser junge Mann? Weiterlesen

Gut gebrüllt, Löwin!

Patricia Petibon (Foto: Inge Prader/DG)

Patricia Petibon (Foto: Inge Prader/DG)

Es ist ein ganzes Weilchen her, dass Patricia Petibon an der Wiener Staatsoper zu hören war. 2007 sang sie hier die Sophie in Richard Strauss´ Rosenkavalier, nun kehrt die grazile Französin mit dem feuerroten Haar als Manon zurück – ein Debüt, denn es ist ihre erster Massenet auf einer Opernbühne, höchste Zeit also, findet sie, denn ewig könne man die Manon, „dieses junge, wilde Ding“, ja nicht singen.  Weiterlesen

Die lange Reise nach Babylon

Bühne

Jörg Widmann (Foto: Marco Borggreve)

Jörg Widmann (Foto: Marco Borggreve)

Jörg Widmann ist viel unterwegs. Wie immer hat er einen Vorrat an Notenpapier eingepackt – zum Komponieren. Wie Elektroden schießen die Noten durch seinen Kopf und selbst, wenn er zu schlafen versucht, rumoren die Kontrabässe weiter. Widmann sitzt in einem Hotel in Würzburg, wo ihm heuer beim Mozartfest ein Schwerpunkt gewidmet ist. Am Abend eröffnet er ebendieses mit Mozarts Klarinettenkonzert. Widmann liebt Mozart, mehr als jede andere Musik, deshalb soll es heute auch nur um ihn gehen. „Vielleicht schaffe ich es ja in den nächsten Tagen mein Schreibgerät hervorzuholen“. Überragender Interpret und Klangschöpfer, inspirierender Dozent und Dirigent – Widmann ist alles zugleich, alles mit der gleichen Leidenschaft und Ernsthaftigkeit. Wenn es um die Musik geht, ist alles scheinbar Gegensätzliche vereint.

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Pretty Belcanto

Format

 

Manche glauben nicht an das Wort Schicksal, Pretty Yende schon. Ganz entspannt sitzt sie im Rosa Zimmer des Wiener Konzerthauses. Yende ist spätabends aus Prag angereist, wo sie am Abend zuvor ein Galakonzert gesungen hat. Einen ganzen Tag lang wird die 29-jährige Sopranistin in Wien Interviews geben und Fragen beantworten. Vor einem Jahr gab Pretty Yende hier Debüt.
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Zwischen Kunst und Kebab

Welt der Frau

Foto: Stefan Knittel

Foto: Stefan Knittel

Die gebürtige Kroatin Petra Grosinic heizt als DJ CounTessa auf den Wiener Tanzflächen ein, Monica Delgadillo aus Mexiko tanzt die Toleranz und Natalie Sopuchova aus Tschechien singt für die Gemeinschaft. Die drei Frauen mit Migrationshintergrund haben eines gemeinsam – die Wiener Brunnenpassage. In der Caritas-Einrichtung haben sie erfahren, dass Kunst und Integration wunderbar harmonieren.

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“Die Stimme ist der Spiegel unserer Seele”

Format

Chen Reiss (Foto: Baldvinsson & Betz)

Chen Reiss (Foto: Baldvinsson & Betz)

Es ist früher Nachmittag, typisches Wiener Novemberwetter, eine Mischung aus Nebel und Nieselregen. Chen Reiss hat ein Treffen in einem Kaffeehaus in der Innenstadt vorgeschlagen, nur wenige Gehminuten von der Staatsoper entfernt, wo sie später mit dem Korrepetitor zum Proben verabredet ist. Sie kommt in einem kurzen, eleganten Kleid und hohen Stiefeln, trägt Schwarz, die langen Haare zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Todschick sieht die 34-Jährige aus, dazu dieses unverschämt glückliche Strahlen in ihren Augen.

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Teuflisch gut, dieser Garrett

Format

David Garrett (Source: www.david-garrett.com)

David Garrett (Source: www.david-garrett.com)

Die feinen Finger brausen blitzschnell über die Geigenseiten, das romantisch zerzauste, dunkle Haar fällt über die wohltrainierten Schultern. Im Publikum geht ein verzücktes Raunen durch die Reihen. Als „Teufelsgeiger“ wurde Niccolò Paganini mit seinen furiosen Geigenkünsten bereits zu Lebzeiten zur Legende. Im gleichnamigen Film gibt Stargeiger David Garrett sein Schauspieldebüt.

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Liebe, Verzweiflung und der Mond

 

Rupert Enticknap, Countertenor (Foto: Joshua Lawrence)

Nach wochenlangen Proben, kam er doch noch, der Anruf: David Daniels, der Hauptdarsteller in „Radamisto“ war erkrankt, ausgerechnet vor der letzten Aufführung. Rupert Enticknap erinnert sich noch ganz genau, es war frühmorgens und die Überraschung groß. Nervosität? Natürlich, schließlich sollte es der erste Auftritt im Theater an der Wien sein und das gleich in einer Titelrolle. Doch der Sprung ins kalte Wasser sollte sich lohnen: eine fulminante Feuertaufe für den 26-jährigen und ein wichtiger persönlicher Erfolg.

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Primadonna, Priesterin und Pfingstintendantin

Format

Cecilia Bartoli (Foto: Uli Weber)

Cecilia Bartoli (Foto: Uli Weber)

Sie begann ihre Karriere mit Mozart und Rossini, heute gilt Cecilia Bartolis große Liebe der unbekannten Barockmusik. Und wenn die Bartoli ein neues Album veröffentlicht, dann steckt meist mehr dahinter, als einfach nur schöne Musik. Ihre CDs sind Entdeckungsreisen in überraschende musikalische Welten. Die Neugierde treibt sie an und ihre unerschütterliche Liebe zur Musik. Zuletzt huldigte sie Agostino Steffani und präsentierte ein Album mit Arien des vergessenen frühbarocken italienischen Komponisten. Dazu gehört Mut zum Risiko, doch die Bartoli kann es sich leisten – das Publikum liebt sie nicht nur für ihre starke Bühnenpräsenz im Theater; über acht Millionen verkaufte Tonträger machen sie zu einer der wenigen auch kommerziell erfolgreichen Sängerinnen unserer Zeit.

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