Primadonna, Priesterin und Pfingstintendantin

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Cecilia Bartoli (Foto: Uli Weber)

Cecilia Bartoli (Foto: Uli Weber)

Sie begann ihre Karriere mit Mozart und Rossini, heute gilt Cecilia Bartolis große Liebe der unbekannten Barockmusik. Und wenn die Bartoli ein neues Album veröffentlicht, dann steckt meist mehr dahinter, als einfach nur schöne Musik. Ihre CDs sind Entdeckungsreisen in überraschende musikalische Welten. Die Neugierde treibt sie an und ihre unerschütterliche Liebe zur Musik. Zuletzt huldigte sie Agostino Steffani und präsentierte ein Album mit Arien des vergessenen frühbarocken italienischen Komponisten. Dazu gehört Mut zum Risiko, doch die Bartoli kann es sich leisten – das Publikum liebt sie nicht nur für ihre starke Bühnenpräsenz im Theater; über acht Millionen verkaufte Tonträger machen sie zu einer der wenigen auch kommerziell erfolgreichen Sängerinnen unserer Zeit.

Kein Wunder also, dass Alexander Perreira die Wahlzürcherin nach Salzburg holte, wo sie vergangenes Jahr als Intendantin der Pfingstfestspiele debütierte. Denn Cecilia Bartoli hat alles, was man in dieser Position braucht: Kreativität, Leidenschaft, Wissen, Erfahrung und Engagement. Ob auf oder hinter der Bühne, die Bartoli tut es mit Haut und Haaren. Ihre Rollen spielt die gebürtige Römerin nicht, sie lebt sie. Ob Freude, Wut, Leid oder Glück – bei ihr ist alles echt. Cecilia Bartoli geht bis an die Grenzen des Machbaren. Auf die Frage, wie es einer Frau überhaupt möglich sei an die technische Meisterschaft der Kastraten heranzukommen, sagte sie in einem Interview: „Schwierigkeiten sind dazu da, um sie zu meistern“. Cecilia Bartoli meistert sie perfekt. Wenn sie singt, dann kostet sie mit glühender Leidenschaft jeden einzelnen Ton, jeden Triller, jede Phrase aus.

Ihr Instrument, die Stimme, hat sie dank ihrer Eltern entdeckt. Ihre Mutter, selbst Opernsängerin, unterrichtete ihre Tochter zu Hause und führte sie in die Welt des klassischen Gesanges ein. Behutsam und spielerisch, ganz ohne Druck. Als Dreijährige saß Cecilia Bartoli zum ersten Mal in der Oper und lauschte fasziniert der Aida und der Turandot. Mit 14 ging sie ans Konservatorium, begann mit dem Gesangstudium und tanzte eine Zeit lang Flamenco, weil sie die Sinnlichkeit dieses Tanzes so berührte.

Ihre Karriere, sagt Cecilia Bartoli, habe sie aber einer großen Portion Glück zu verdanken. Als sie 1985 im Alter von 19 Jahren bei einer Talentshow im italienischen Fernsehen mitwirkte, sah Daniel Barenboim ihren Auftritt und bat sie sofort zum Vorsingen nach Paris. Eine Sängerin war kurz vor einem Gedenkkonzert für Maria Callas erkrankt und Ersatz musste her. Die blutjunge Bartoli sang Barenboim vor, wurde vom Fleck weg engagiert und trat noch im selben Jahr an der Pariser Oper auf, der Rest ist Geschichte.

Ihre zweiten Pfingstfestspiele hat Cecilia Bartoli unter das Motto „Opfer“ gestellt, weil sie die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs fasziniert, die sichtbar wird, wenn man das deutsche Wort „Opfer“ übersetzt – so bedeutet es zum Beispiel im Englischen ebenso „sacrifice“ wie „victim“. Letztendlich sei es aber auch eine Frage der Perspektive. „Es gibt kein Opfer ohne Geopfertes, ohne Opfergabe – die Frage ist nur, auf welcher Seite man sich wiederfindet“. Musikalisch kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück: im Mittelpunkt steht Bellinis Kriegerin „Norma“, eine starke, leidenschaftliche Frau, die alle Verantwortung auf sich nehmen muss, indem sie das opfert, was ihr am teuersten ist: zuerst ihre Kinder, dann ihre Liebe und zuletzt ihr Leben. Natürlich wird Bellini auf historischen Instrumenten gespielt, zudem hat Cecilia Bartoli zahlreiche Details und Anmerkungen restituiert, die Bellini in verschiedenen Manuskripten hinterließ.

Und wie sieht sich die Bartoli in der Rolle der Bellini-Priesterin? „Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich zu hundert Prozent das, was ich dort verkörpere. Es gibt für mich keinen anderen Weg als den, in den Leidenschaften der Musik voll und ganz aufzugehen“.