Archiv für den Autor: wordpressadmin

Bloß kein Dienst nach Vorschrift

FALTER 02/17

Anton Zavjyalov

Seit Jahren mischt Teodor Currentzis die Welt der klassischen Musik auf. Nun sucht der griechische Dirigent in Wien nach der Ekstase. (Foto: Anton Zavjyalov)

 

Eisiger Wind peitscht durch die Straßen von Perm. Aus den Hochöfen qualmt grauer Rauch, während die Containerschiffe im Hafen an-und ablegen. Noch vor ein paar Jahren war die östlichste Stadt Europas vor allem für ihre Bodenschätze, ihre Rüstungsindustrie und ihre frostigen Winter bekannt. Doch dann beschloss der damalige Gouverneur Oleg Tschirkunow den Imagewandel von der Industriemetropole zur Kulturhauptstadt. Er entwarf ein ambitioniertes Programm, holte die wichtigsten Kultureinrichtungen aus ihrem Dämmerschlaf und investierte in neue Theater und Kunstgalerien, die nun das Bild der Uferpromenade prägen. Weiterlesen

In einem Land außerhalb unserer Zeit

Falter Stadtzeitung 51/16

Die Fotografin Katharina Gossow fotografierte Alma Deutscher im Hotel Beethoven.

Für den Falter fotografierte Katharina Gossow Alma Deutscher im Hotel Beethoven.

Alle warten auf Alma. Die Sänger und die Produktionsleiterin haben sich schon im Souterrain des Klavierhauses Wallner im vierten Bezirk eingefunden, die Oper „Cinderella“ soll geprobt werden. Journalisten zücken Stift und Block, die Kameras werden in Stellung gebracht. Dann stürmt ein blondes Mädchen herein, in blauem Kleid und roter Jacke mit einem glitzernden Springseil in der Hand. Begleitet wird sie von ihrem Vater, der sich im Hintergrund hält. Alma strahlt über das ganze Gesicht, hüpft, läuft und setzt sich sofort ans Klavier. Die Probe kann beginnen. Ihr Blick wird ernst, mit einem Nicken gibt sie den Sängern den Einsatz. In diesem Moment ist sie Pianistin, Dirigentin und Regisseurin in einem. Sie presst die Lippen aufeinander, reißt die Augen auf, zieht die Augenbrauen hoch. „Soll ich es euch vorsingen?“, fragte sie die Sänger. „Es muss dramatischer klingen!“ Alma ist freundlich, aber bestimmt, nichts kann sie aus ihrer Konzentration bringen. Weiterlesen

Alle Jahre wieder: die Top-Ten-Charts

khatia

 

 

Khatia Buniatishvili: Kaleidoscope (Sony)
Dämonisch, charismatisch und hypersensibel: wenn Khatia Klavier spielt, dann steht die Zeit still. Wahnsinnsfrau, Hammeralbum.

 

 

sokolov

 

 

Grigory Sokolov: Schubert/Beethoven
Studios meidet Sokolov konsequent. Umso kostbarer ist dieser Live-Mitschnitt auf 2 CDs. Zugabe, Zugabe!

 

 

currentzis

 

 

Currentzis/Kopatchinskaja: Tchaikovsky: Violin Concerto – Stravinsky: Les Noces
Junge Wilde: der Dirigent und die Geigerin musizieren, dass die Fetzen fliegen.
Einfach nur geil.

 

 

say

 

 

Fazil Say: Mozart – Sämtliche Klaviersonaten
Mehr Mozart! Der türkische Ausnahmepianist lebt und atmet jede einzelne der insgesamt 375 Minuten. Zeit nehmen und genießen.

 

 

daniil

 

 

Da­niil Trifonow: Transcendental
Der Junge Russe spielt mit Liszt. Und was für Genieklänge er da hervorzaubert, ist atemberaubend. Oder transzendental.

 

 

kermes

 

 

Simone Kermes & La Magnifica Cumunitá : Love
Die Kermes zwischen Liebesgeflüster und emotionaler Achterbahnfahrt. Grandios musiziert. Trifft mitten ins Herz.

 

 

alison

 

 

Alison Balsom: Jubilo
Himmlische Klänge: die britische Star-Trompeterin liefert ein feinsinniges Barockprogramm.

 

 

kashkashian

 

 

Kim Kashkashian: Arcanum
Die dunkle Seite des Klangs: was die Bratschistin Kim Kashkashian ihrem Instrument zu verlocken vermag, ist berauschend.

 

 

cremona

 

 

Quartetto di Cremona: Saint-Saëns
Kein “Karneval der Tiere”, dafür selten gehörte, unglaublich packende Kammermusik und deshalb unbedingt eine Entdeckung wert.

 

 

letzbor

 

 

Gunar Letzbor: Accordato-Ex Vienna
Wieder hat der österreichische Geiger Fundstücke unbekannter Barockkomponisten der Habsburger im Gepäck. Virtuos!

 

 

 

 

 

 

347415304_8e9d3d59f3_b

Die Barbiere kommen!

„Ohne Bart ist ein Mann nicht richtig angezogen“, soll Salvador Dalí einmal gesagt haben. Womit der surrealistische Maler natürlich seinen exzentrischen Schnurrbart meinte. Heute liegt der „Dalí“ ebenso im Trend wie der „Chin Puff“ (der Bart für Einsteiger: cool), der „Sou Patch“ (Unterlippenbart: klein, aber fein), der ZZ-Bart (je länger, desto hipper) oder der durchgestylte Vollbart mit Moustache (sehr edel). Kurz gesagt: Bart ist wieder in. Und weil Mann sich sein Gesichtshaar gerne pflegen lässt, erlebt eine fast in Vergessenheit geratene Zunft ihr großes Revival: die Barbiere sind zurück!

Weiterlesen

Ein Stimme gar Wunderlich

wunderlich

Fritz Wunderlich als Tamino in Mozarts “Zauberflöte”. (Foto: Gerhard H. Siess/DG)

Falter 40/2016

Im September wäre der deutsche Opernsänger Fritz Wunderlich 86 Jahre alt geworden. Gestorben ist er 1966 auf tragische  Art und Weise: Er stürzt die Treppe im Haus eines Freundes hinunter, prallte mit dem Kopf auf den Steinfliesenboden und war wenige Stunden später tot – nur eine Woche vor seinem 36. Geburtstag und auf dem Weg zur absoluten Weltspitze, das Debüt an der New Yorker Met stand gerade bevor. Auch 50 Jahre nach seinem Tod fasziniert der Tenor ungebrochen. Die aktuellen Veröffentlichungen zeigen, dass er zu den Größten seines Fachs gehörte. Weiterlesen

Zeitgenossen zwischen Licht und Schatten

Falter Stadtzeitung 43/16

Wie Schatten im Dunkel klingen? Recht düster, wenn es nach der gleichnamigen Porträt-CD (Wergo) des Komponisten Enjott Schneider geht. „Phoenix“, „Dunkelreise“ (nach Fragmenten von Hans Rott, dem genialen Komponisten, Bruckner-Schüler, Freund Gustav Mahlers und Schöpfer einer zukunftsweisenden Symphonie, der mit 26 Jahren in einer Irrenanstalt an seinen Wahnvorstellungen zugrunde ging) und „Neidhart’s Nightmare“ heißen die Tonschöpfungen, die zwischen Licht und Schatten, Tag und Nacht, Träumen und Albträumen, Wahn und Wirklichkeit oszillieren. Richtig beklemmend wird es im letzten Stück, einem Minnelied für Klavier und Orchester (Solist: Oliver Triendl), wenn Enjott Schneider gemeinsam mit dem famos aufspielenden Tonkünstlern unter Kevin John Edusei ins Dunkel des Mittelalters entführt und dabei ganz auf die helle Orchesterfarbe der Violinen verzichtet. Ziemlich spooky, aber unglaublich gut. Weiterlesen

Der Ton und die Künstler

Erstes Konzert des Tonkünstlerorchester in der neuen Saison 2016/17 und gleich eine österreichische Erstaufführung: „Red and Green“, ein üppig instrumentiertes Orchesterwerk von Thomas Larcher, vom San Francisco Symphony Orchestra in Auftrag gegeben, 2011 uraufgeführt und bisher sieben Mal im Konzert gespielt, jetzt endlich auch in der Heimat des international erfolgreichen österreichischen Komponisten. Der Titel ist dabei Programm, oder eben auch nicht, denn die Frage, wie sich Farben verhalten, wenn sie sich in Klänge verwandeln, stellt Larcher gar nicht in den Mittelpunkt seines Werkes. Ihm geht es in erster Linie darum, statt schwer verdaulicher Kopfmusik, sinnlich erfahrbare Musik zu schreiben. „Red and Green“ beginnt aus dem Nichts und endet ebendort, dazwischen entlädt sich eine gewaltige Lawine aus Klängen, Farben und Stilen, die Larcher zu einer virtuosen Collage verwebt, inklusive allerlei Schlagzeugexotik wie Kuhglocken, Wassergong, Metallfolien und Sandbleche. Weiterlesen

Die Clex ist da und feiert ihre Klangpremiere in Wien

Alte Handwerkskunst trifft Hightech: Clex, Contrabassclarinet extended.

Alte Handwerkskunst trifft Hightech: Clex, Contrabassclarinet extended feiert am 8. Juni Klangpremiere in Wien.

Kontrabassklarinetten sehen nicht nur beeindruckend aus, sie klingen auch so. 2,7 Meter misst das Rohr und erzeugt einen Tonumfang von fünf Oktaven. Nur das Kontrafagott ist noch größer. Wenn der tiefe Brummer seinen großen Auftritt hat, dann kann schon mal der ganze Körper mitvibrieren. Allzu oft hört man das fette Rohrblasinstrument im klassischen Repertoire allerdings nicht – Arnold Schönberg lässt es in den „Gurreliedern“ aufspielen, später setzten es auch Edgar Varèse, Hans Werner Henze oder Heinz Holliger ein. Heute spielt das Instrument vor allem in der Neuen Musik ein tragende Rolle. Damit der klingende Exot den neuen Anforderungen auch gerecht werden kann, hat sich ein Forscherteam aus Bern daran gemacht, eine völlig neue Kontrabassklarinette zu entwickeln. Sechs Jahre lang wurde daran gefeilt, jetzt ist CLEX (das steht für Contrabassclarinet Extended) fertig und wird morgen Abend ihr Österreich-Debüt im Wiener Konzerthaus feiern.

Was Clex alles kann? Zunächst eröffnet sie Klangwelten, die noch kein Mensch zuvor betreten hat. Das alleine ist schon spannend genug. Außerdem klingt sie besser und lässt sich dank elektronischer Steuerung einfacher spielen. Nachdem die Klappen nicht mehr manuell bedient, sondern über Sensoren gesteuert werden, könnte man theoretisch gleichzeitig spielen und Kaffee kochen – klingt nach Extended Hightech. Auf Tour geht die Clex mit der Basel Sinfonietta (Dirigent: Duncan Ward), Vorreiterin in Sachen Neuer Musik und bekannt für ihr lustvolles Grenzgängertum. Egal ob Klassik, Elektronik, Pop oder Jazz – hier zählt nur eins: die Musik.

Für die Klangpremiere in Wien stehen gleich zwei Uraufführungen auf dem Programm: ein Konzert für Kontrabassklarinette und Orchester von Michael Pelzel und ein Konzert für Kontrabassklarinette, Turntable, E-Gitarre (Martin Siewert) und Videotechnik von Jorge Sánchez-Chiong. Die Clex wird von Ernesto Molinari gespielt während Sánchez-Chiong, selbst bekannt für seine genreübergreifenden Werke, bei seinem Konzert höchstpersönlich an den Turntables steht. Und weil man das Instrument auch als Controller in Computerspielen nutzen kann, steuert Molinari ein Live-Video-Spiel, das eigens für das Stück von dem Videokünstler-Kollektiv TE-R (Thomas Wagensommerer und Luise Linsenbolz) entwickelt wurde. Im Nachspiel eröffnet Marino Formenti tiefere Einblicke in die erklungenen Werke. Im Mozart-Saal-Buffet lädt außerdem das DJ Kollektiv „Engelsharfen & Teufelsgeigen“ zum Verweilen und Grooven ein.

Mittwoch, 8. Juni 2016 um 19 Uhr 30
Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal

PROGRAMM

Michael Pelzel (*1978) – Gravitity’s Rainbow (UA)
Arnold Schönberg (1874-1951) – Kammersinfonie No. 1 op. 9
Bruno Maderna (1920-1973) – Serenata No. 2
Luigi Nono (1924-1990) – Incontri
Jorge Sánchez-Chiong & TE-R – ZYT. Game for Clex Contrabass Clarinet, Electric Guitar, Turntables, amplified Orchestra & Projection (UA)

INTERPRETEN

Basel Sinfonietta
Ernesto Molinari, CLEX
Martin Siewert, E-Gitarren
Jorge Sánchez-Chiong, Turntables
Duncan Ward, Dirigent
TE -R, Video, Raumdesign: Louise Linsenbolz & Thomas Wagensommerer
Uli Kühn, Videotechnik
Marino Formenti, Klavier, Gespräch
Engelsharfen & Teufelsgeigen, DJ-Kollektiv

 

 

 

 

 

 

 

 

10313978_10153925250129014_7081316745085108569_n

Auf einen Melange mit Saimir Pirgu

Saimir Pirgu wurde im albanischen Tirana geboren und spielte zunächst Geige, ehe er zum Gesang wechselte. Er wurde von Luciano Pavarotti gefördert und debütierte in Italien mit 22 Jahren unter Claudio Abbado als Ferrando in „Così fan tutte“. In selbiger Partie gab der Künstler 2004 als jüngster Sänger in einer Hauptrolle sein Debüt bei den Salzburger Festspielen. Mittlerweile ist Saimir Pirgu an allen großen Opernhäusern ein gern gesehener Gast. Wien spielt im Leben des charismatischen Sängers eine besondere Rolle: er war Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, verehrt die Wiener Philharmoniker, liebt das Wiener Publikum und besucht die Stadt, wenn er eine Auszeit braucht – am liebsten im Sommer, wenn sie menschenleer ist. Am 23. und 24. Mai kann man Saimir Pirgu im Rahmen der Wiener Festwochen wieder im Musikverein erleben, wo er in Berlioz´ gewaltiger “Grande Messe des Morts” mit dem Orchestre National du Capitole de Toulouse unter Tugan Sokhiev zu erleben ist. Weiterlesen

Bildschirmfoto 2016-05-17 um 20.15.55

Eine ausgezeichnete Mélange-à-trois

Drei Menschen, die Musik machen, miteinander, arbeiten, reisen, auftreten, sich streiten und sich lieben – die ideale Arena für Launen, Beziehungsprobleme und die Auseinandersetzung mit anspruchsvollster Kammermusik. Voraussetzung für diese Mélange-à-trois ist eine Konstellation von drei Menschen, die die gleiche Basis haben. So geschehen bei Sibila Konstantinova, Kei Shirai und Tristan Cornut. Heute stellt sich das ausgezeichnete Stefan Zweig Klaviertrio dem Publikum im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins vor. Auf dem Programm stehen Werke von Beethoven, Dvorák und Mauricio Kagel. Tristan Cornut, der Cellist des Ensembles, über den Namensgeber Stefan Zweig, befruchtende Meinungsverschiedenheiten und die Liebe zur Kammermusik. Weiterlesen