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Die Clex ist da und feiert ihre Klangpremiere in Wien

Alte Handwerkskunst trifft Hightech: Clex, Contrabassclarinet extended.

Alte Handwerkskunst trifft Hightech: Clex, Contrabassclarinet extended feiert am 8. Juni Klangpremiere in Wien.

Kontrabassklarinetten sehen nicht nur beeindruckend aus, sie klingen auch so. 2,7 Meter misst das Rohr und erzeugt einen Tonumfang von fünf Oktaven. Nur das Kontrafagott ist noch größer. Wenn der tiefe Brummer seinen großen Auftritt hat, dann kann schon mal der ganze Körper mitvibrieren. Allzu oft hört man das fette Rohrblasinstrument im klassischen Repertoire allerdings nicht – Arnold Schönberg lässt es in den „Gurreliedern“ aufspielen, später setzten es auch Edgar Varèse, Hans Werner Henze oder Heinz Holliger ein. Heute spielt das Instrument vor allem in der Neuen Musik ein tragende Rolle. Damit der klingende Exot den neuen Anforderungen auch gerecht werden kann, hat sich ein Forscherteam aus Bern daran gemacht, eine völlig neue Kontrabassklarinette zu entwickeln. Sechs Jahre lang wurde daran gefeilt, jetzt ist CLEX (das steht für Contrabassclarinet Extended) fertig und wird morgen Abend ihr Österreich-Debüt im Wiener Konzerthaus feiern.

Was Clex alles kann? Zunächst eröffnet sie Klangwelten, die noch kein Mensch zuvor betreten hat. Das alleine ist schon spannend genug. Außerdem klingt sie besser und lässt sich dank elektronischer Steuerung einfacher spielen. Nachdem die Klappen nicht mehr manuell bedient, sondern über Sensoren gesteuert werden, könnte man theoretisch gleichzeitig spielen und Kaffee kochen – klingt nach Extended Hightech. Auf Tour geht die Clex mit der Basel Sinfonietta (Dirigent: Duncan Ward), Vorreiterin in Sachen Neuer Musik und bekannt für ihr lustvolles Grenzgängertum. Egal ob Klassik, Elektronik, Pop oder Jazz – hier zählt nur eins: die Musik.

Für die Klangpremiere in Wien stehen gleich zwei Uraufführungen auf dem Programm: ein Konzert für Kontrabassklarinette und Orchester von Michael Pelzel und ein Konzert für Kontrabassklarinette, Turntable, E-Gitarre (Martin Siewert) und Videotechnik von Jorge Sánchez-Chiong. Die Clex wird von Ernesto Molinari gespielt während Sánchez-Chiong, selbst bekannt für seine genreübergreifenden Werke, bei seinem Konzert höchstpersönlich an den Turntables steht. Und weil man das Instrument auch als Controller in Computerspielen nutzen kann, steuert Molinari ein Live-Video-Spiel, das eigens für das Stück von dem Videokünstler-Kollektiv TE-R (Thomas Wagensommerer und Luise Linsenbolz) entwickelt wurde. Im Nachspiel eröffnet Marino Formenti tiefere Einblicke in die erklungenen Werke. Im Mozart-Saal-Buffet lädt außerdem das DJ Kollektiv „Engelsharfen & Teufelsgeigen“ zum Verweilen und Grooven ein.

Mittwoch, 8. Juni 2016 um 19 Uhr 30
Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal

PROGRAMM

Michael Pelzel (*1978) – Gravitity’s Rainbow (UA)
Arnold Schönberg (1874-1951) – Kammersinfonie No. 1 op. 9
Bruno Maderna (1920-1973) – Serenata No. 2
Luigi Nono (1924-1990) – Incontri
Jorge Sánchez-Chiong & TE-R – ZYT. Game for Clex Contrabass Clarinet, Electric Guitar, Turntables, amplified Orchestra & Projection (UA)

INTERPRETEN

Basel Sinfonietta
Ernesto Molinari, CLEX
Martin Siewert, E-Gitarren
Jorge Sánchez-Chiong, Turntables
Duncan Ward, Dirigent
TE -R, Video, Raumdesign: Louise Linsenbolz & Thomas Wagensommerer
Uli Kühn, Videotechnik
Marino Formenti, Klavier, Gespräch
Engelsharfen & Teufelsgeigen, DJ-Kollektiv

 

 

 

 

 

 

 

 

Musischer Adventskalender 2014, Tür #24: Don´t talk & listen!

breinschmidJedes Mal, wenn ich das neue Album von Georg Breinschmid höre, zaubert es mir ein Lächeln ins Gesicht. Weil es so wunderbar leichtfüßig daherkommt. Weil es Humor & Weisheit mitbringt. Und weil es herrlich grooved. “Double-Brein” hat Breinschmid es genannt: zwei prallvolle CDs gibt es hier zu entdecken, die Breinschmid in einen “Jazz”-Schwerpunkt (CD 1) und eine “klassische” Seite (CD 2) aufgeteilt hat. Klassisch deshalb, weil der Kontrabassist, einst Mitglied der Wiener Philharmoniker, in letzter Zeit wieder in seine “klassische” Vergangenheit hineingeschnuppert hat, die er ein wenig vernachlässigt hatte. Aber Breinschmid wäre nicht Breinschmid, wenn er nicht wieder einmal kongenial Jazz, Wiener Lied, Folk, Impro, Eigenkompositionen und virtuose Arrangements berühmter klassischer Stücke mischen würde. So wird der “Mephisto-Walzer” von Liszt oder eine Arie aus Verdis “Il Trovatore” recht unorthodox in einem Arrangement von Tscho Theissing interpretiert während bei Bach auch mal die Zeit still stehen darf. Immer wieder streut Breinschmid Wiener Lieder ein, experimentiert, jammt mit Musikern aus der Wiener Folk-Szene und spielt mit seinen Stammbesetzungen wie dem Trompetenvirtuosen Thomas Gansch, den Brüder Jánoška aus Bratislava an Violine und Klavier oder der Triobesetzung mit dem Geiger Benjamin Schmid und dem Gipsy-Gitarristen Diknu Schneeberger – um nur einige wenige zu nennen. Jedes Stück hat seine eigene Geschichte: so ist die groovige “Kopanitsa”, ein traditioneller bulgarischer Tanz im 11/8 Takt, das Produkt einer wilden Jam Session, “B´soffn in Heanois” eine Hommage an seinen neuen Wiener Heimatbezirk und “Odessa” eine Reminiszenz  an jene Stadt, die Georg Breinschmid zu neuen kreativen Impulsen inspirierte. Insgesamt zweieinhalb Stunden Musik, die uns mal zum Lachen, mal zum Schmunzeln, mal zum Nachdenken und mal zum Insichgehen bringt. Musik, die uns an das Leben erinnert, mit all seinen Höhen und Tiefen. Georg Breinschmid bedankt sich dafürper Rap-Gesang mit Ernst und etwas Geblödel. “Das pralle Leben, es ist so schön / ach würde es doch niemals vergehn / nur irgendwann, isses sicher aus / und vorher will ich spenden rasenden Applaus / I sag Danke”. Wir auch. Danke, Georg!