Zeitgenossen zwischen Licht und Schatten

Falter Stadtzeitung 43/16

Wie Schatten im Dunkel klingen? Recht düster, wenn es nach der gleichnamigen Porträt-CD (Wergo) des Komponisten Enjott Schneider geht. „Phoenix“, „Dunkelreise“ (nach Fragmenten von Hans Rott, dem genialen Komponisten, Bruckner-Schüler, Freund Gustav Mahlers und Schöpfer einer zukunftsweisenden Symphonie, der mit 26 Jahren in einer Irrenanstalt an seinen Wahnvorstellungen zugrunde ging) und „Neidhart’s Nightmare“ heißen die Tonschöpfungen, die zwischen Licht und Schatten, Tag und Nacht, Träumen und Albträumen, Wahn und Wirklichkeit oszillieren. Richtig beklemmend wird es im letzten Stück, einem Minnelied für Klavier und Orchester (Solist: Oliver Triendl), wenn Enjott Schneider gemeinsam mit dem famos aufspielenden Tonkünstlern unter Kevin John Edusei ins Dunkel des Mittelalters entführt und dabei ganz auf die helle Orchesterfarbe der Violinen verzichtet. Ziemlich spooky, aber unglaublich gut.

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Enjott Schneider

Im Spannungsfeld von Leben und Tod, Diesseits und Jenseits, Trauer und Hoffnung bewegt sich auch das Album Arcanum (ECM Records), benannt nach der Sonate, die Lera Auerbach vor drei Jahren für die Bratschistin Kim Kashkashian schriebt. „Arcanum steht für ein Geheimwissen, das wir nicht rational zu fassen vermögen“, sagt die 1973 geborene Komponistin und verpackt es musikalisch in ein unglaublich expressives, viersätziges Werk, das sie gemeinsam mit Kim Kashkashian zur Aufführung bringt. Dazu gibt es die 24 Präludien op. 34 für Klavier von Dmitri Schostakowitsch, die hier in Auerbachs Bearbeitung für Viola und Klavier erklingen. Spannend, weil das Streichinstrument den Miniaturen etwas Dunkles, Existenzielles verleiht.

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Kim Kashkashian

Wie leuchtend hell klingt im Vergleich die Violine in Renaud Capuçons CD 21st Century Violin Concertos (Erato/Warner Classics). Alle drei Konzerte von Wolfgang Rihm, Pascal Dusapin und Bruno Mantovani sind dem Violinvirtuosen gewidmet und entstanden in enger Zusammenarbeit zwischen Komponist und Interpret – ein großes Privileg, dass sich im Ausdruck des Spiels wiederfindet: da atmet jede Note, jeder Klang und jede Phrase. Zeitgenössische Musik mit hohem Suchtpotential!

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Renaud Capuçon

 Fotos: Ursus Samaga, Steve Riskind, Simon Fowler