„Well, Erich, where’s my violin concerto?“ 30 Jahre lang war das der Running Gag zwischen Erich Wolfgang Korngold und dessen Jugendfreund, dem Geiger Bronisław Huberman. Bei einem gemeinsamen Abendessen im amerikanischen Exil soll sich Korngold 1945 schließlich ans Klavier gesetzt und das Anfangsthema seines Violinkonzerts angestimmt haben. Kurze Zeit später war das Werk fertiggestellt. Mit ihm wagte der Starkomponist Hollywoods die musikalische Rückkehr zu den eigenen, klassischen Wurzeln. Weiterlesen
Kategorie-Archiv: Kritiken

Wenn zwei junge Wilde einander das Ja-Wort geben
“Was ist jene Kraft, die unsere Herkunft und unser Erbe ans Tageslicht bringt?“, fragt der griechische Dirigent und Musiker Teodor Currentzis in den Linernotes zur Einspielung von Igor Strawinsky Le Sacre du Printemps (Sony). „Es ist der Tanz: ekstatisch in Bewegung.“ Ekstatisch? Genau das Richtige für Currentzis, der bei Strawinskys Skandal-Ballett mit seinem sibirischen Ensemble MusicAeterna so richtig aus dem Vollen schöpft und das „Frühlingsopfer“ als üppiges Kaleidoskop an Farben und Stimmungen erklingen lässt. Weiterlesen

Schluss mit dem Klischee des Wald und Wiesen-Barden
Am 8. Dezember des vergangenen Jahres wurde weltweit der 150. Geburtstag Jean Sibelius gefeiert – eine Ehre, die dem finnischen Komponisten vor allem im deutschsprachigen Raum immer noch viel zu selten zu Teil wird. Das Klischee des naturbeschwörenden finnischen Nationalkomponisten, es hält sich bisweilen hartnäckig. Weiterlesen

Tanz den Tango, cross over – und bleib dabei „loca“
Feine Töne kommen seit über zehn Jahren vom österreichischen Label Alessa Records. Mastermind Peter Guschelbauer, selbst Musikproduzent, Komponist und Verleger, hat hier hervorragende Musiker aus dem Jazz- und Weltmusikbereich um sich geschart. Weiterlesen
Ein leises Fest für den estnischen Meister der Stille

“Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird”, sagt Arvo Pärt. (Foto: Kaupi Kikkas)
Nine Eleven kann auch etwas ganz anderes bedeuten: Am 11. September feierte Arvo Pärt seinen 80. Geburtstag. Ein willkommener Anlass, dem erfolgreichsten klassischen Komponisten der Gegenwart musikalische Porträts zu widmen. Weiterlesen

Starke Stücke, Schubert & Schwiegermuttergalopp
Der Falter

Das Ensemble Paladino
Paladino Music – benannt nach dem mittelalterlichen Paladin, der die Burgfräulein vor dem Bösen beschützte –, ist ein kleines, feines Independent Label aus Wien, das seit einigen Jahren den österreichischen Klassikmarkt gehörig aufmischt. Gegründet vom Cellisten und Musikpädagogen Martin Rummel, vertreibt es mittlerweile vier Labels (zuletzt kaufte Paladino das Wiener Neue-Musik-Label Kairos) und veröffentlicht pro Jahr etwa 15 neue CDs. Dabei geht es stets darum, kreative Programmideen zu verwirklichen, Unbekanntes vorzustellen und jungen Künstlern eine Plattform zu bieten. Weiterlesen
Männer auf Wanderschaft durchs Gedicht-Musik-Dickicht

Andrè Schuen und Daniel Heide (Foto: Guido Werner)
Nur weniges vermag ein so inniges und persönliches Erlebnis zu vermitteln wie das Lied. Da gibt es keine große Bühne hinter der man sich verstecken kann, keine Schminke und keine Affekte – lediglich die intime Zwiesprache zwischen Wort und Ton, Gedicht und Gesang. Franz Schubert gilt als der Übervater des Kunstlieds, 600 Stück komponierte er im Laufe seines kurzen Lebens. Weiterlesen

Von tanzenden Feen und Fischen in fremden Gewässern

Avi Avital (Foto: Harald Hoffmann/DG)
Transkriptionen haben in der Musikgeschichte Tradition. Nicht nur im Pop wird munter gecovert, auch die Klassiker fischen gerne in fremden Gewässern. Der wohl prominenteste „Plünderer“ war Franz Liszt: er hinterließ 140 Bearbeitungen, 55 davon sind Liedtranskriptionen von Franz Schubert. Überhaupt wurde der Liederfürst gerne und viel bearbeitet. So auch von Daniel Behle, der Schuberts Winterreise nun für Tenor und Klavier-Trio (Oliver Schnyder Trio) eingerichtet hat und sie auf seinem Album Winterreisen (2 CDs) der Originalversion gegenüberstellt. Eine feine Bearbeitung, die durch den Einsatz lautmalerischer Akzente von Violine und Violoncello (Begleitfiguren, Tremolos, Flageoletts und Pizzicati) Schuberts Gefühls- und Bilderwelt ganz neu durchwandern lässt.

Daniel Behle (Foto: Marco Borggreve)
Maurice Ravel hingegen hat seine Werke am liebsten gleich selbst bearbeitet. Ursprünglich waren sämtliche Stücke, die Seiji Ozawa und das Boston Symphony Orchestra auf der CD Maurice Ravel – Orchestral Works spielen, für das Klavier komponiert worden. Nach und nach wandelte Ravel seine Klavierzyklen Ma Mère l’Oye, Valse nobles et sentimentales oder Le tombeau de Couperin in Orchesterfassungen um und schuf eine bizarre Märchenwelt voll schillernder Klangfarben und zarter Melodien, wo Feen tanzen und Däumlinge ihr Unwesen treiben.

Seiji Ozawa @ the Boston Symphony Orchestra, April 5, 1975
Avi Avital machte aus der Not eine Tugend. Nachdem das Repertoire für die klassische Mandoline recht schnell erschöpft war, blieb dem jungen Mann aus Israel nichts anderes, als die Musik für sein Instrument passend zu machen. Dabei stellte sich heraus, dass sich viele Stücke hervorragend für die Mandoline arrangieren lassen, von Bach bis Bartók, von bulgarischen Volkstänzen bis hin zu Dvorák und Villa Lobos. Seine aktuelle CD widmet Avi Avital Vivaldi. Der hat eines der Konzerte tatsächlich für die Mandoline komponiert. Die übrigen hat Avital virtuos arrangiert, als wären sie nie anders gedacht gewesen.

Franz Schubert
Winterreisen
Daniel Behle (Tenor)
Oliver Schnyder Trio
Sony Classical

Maurice Ravel Orchestra Works
Boston Symphony Orchestra
Seiji Osawa
Pentatone

Antonio Vivaldi
Avi Avital
Venice Baroque Orchestra
Deutsche Grammophon

Himmelhoch jauchzend und nie zu Tode betrübt
Heuer begeht die Musikwelt den 250. Todestag von Jean-Philippe Rameau. Das Capriccio Stravagante Les 24 Violons und das Collegium Vocale Gent spielen auf „Rameaus Funeral” (Paradizo) Begräbnismusik, wie sie beim Trauergottesdienst zu Ehren Rameaus erklungen ist. Jean Gilles „Messe des Morts” wurde im Oratoire du Louvre in einer Bearbeitung des Komponistenduos François Rebel und François Francur gespielt. Als Hommagen an Rameau wird dessen Musik immer wieder mit jener Gilles verwoben oder sein Stil zitiert. Ein heute wie damals ergreifendes Abschiednehmen vom größten französischen Komponisten des 18. Jahrhunderts.
Der frischgebackene Echo-Gewinner Teodor Currentzis ist ein Ausnahmemusiker, das stellt er auch mit dem neuen Album „The Sound of Light” (Sony) unter Beweis. Gemeinsam mit dem Ensemble MusicAeterna präsentiert er eine sehr persönliche Hommage an Rameau und bedient sich dabei aus den lyrischen, heroischen und tragischen Opern und Balletten des Komponisten. „Wie kann man Menschen, die nie den Kuss der Sonne gespürt haben, das Licht erklären? Ich würde ihnen Musik von Rameau vorspielen”, schreibt Currentzis im Booklet. Rameau hatte aber auch eine wilde, dunkle und bedrohlich Seite. Currentzis rauscht durch diese opulenten Klangwelten und erweist sich einmal mehr als ungemein beredter Geschichtenerzähler.
Einen Bogen zur Moderne spannt die Pianistin Cathy Krier auf „Rameau, Ligeti” (Avi). Französischer Barock und ungarische Avantgarde funktioniert das überhaupt? Kriers Antwort lautet „Ja”. Sowohl Rameaus „Pièces de Clavecin” als auch Ligetis „Musica Ricercata” verbindet die Lust am Spiel mit den Noten, das streng Intellektuelle und radikal Neue ihrer Musik. Krier gestaltet mit ihrem glasklaren und zugleich gefühlvollen Spiel wunderbare Dialoge zweier Komponisten, die einander näher sind, als man denkt.

Rameau’s Funeral
Paradizo
22 Euro

The Sound of Light
Sony Classical
21 Euro

Rameau – Ligeti
CAvi-music
22 Euro
Hier ist alles Gold, was glänzt
Prachtvoll muss es im barocken Venedig zugegangen sein, das noch bis ins 18. Jahrhundert zu den großen kulturellen und wirtschaftlichen Zentren Europas gehörte. Heute erinnern die einzigartige Schönheit der Lagunenstadt, ihr Mythus und ihr musisches Erbe an das längst vergangene „Goldene Zeitalter“, dem die Akademie für Alte Musik Berlin nun ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. Weiterlesen