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Adventskalender 2014, Tür #11: Chiaras Tagebuch

ChiaraAn einem Apriltag des Jahres 1718 wurde ein zwei Monate altes Mädchen vor dem Ospedale della Pietà, einem der vielen Waisenhäuser in Venedig, ausgesetzt. Die Venezianischen Ospedali waren soziale Einrichtungen, die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts verlassenen Waisenkindern eine sichere Unterkunft boten. Die talentiertesten Mädchen wurden von Klein auf in Musik unterrichtet. Nach und nach wurden aus den Ospedali richtige Konservatorien, wo den Kindern Musiktheorie, Gesang und Instrumente beigebracht wurden. Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert hatten diese Chöre und Orchester ein solch hohes Niveau erreicht, dass Venedig zu einem der wichtigsten Zentren der damaligen Kultur und Musik wurde. Regenten und wichtige Persönlichkeiten aus ganz Europa kamen hierher, um dem feinen Gesang und dem präzisen Spiel der Mädchen zu lauschen. Chiara war ein außergewöhnlich begabtes Kind. Mit 12 Jahren lernte sie Viola d’amore, Orgel und besonders virtuos Geige spielen; mit 21 war “Chiara del Violino” die wahrscheinlich beste Geigerin Europas. “Per la Signora Chiara” – so lautet die Widmung eines Violinkonzerts aus der Feder Antonio Vivaldis, der als Musiklehrer am Ospedale della Pietà wirkte. Aber auch andere Komponisten wie Giovanni Porta, Antonio Martinelli oder Andrea Bernasconi widmeten Chiara Solokonzerte. Fabio Biondi hat die lange verschollenen Werke aus den Archiven hervorgeholt und gemeinsam mit seinem Ensemble Europa Galante aufgenommen. Das Ergebnis dieser mitreißend musizierten Entdeckungsreise nannten sie „Il Diario di Chiara“. Dem Album liegt außerdem ein halbstündiger Dokumentarfilm bei, der vom Leben des venezianischen Wundermädchens erzählt. Chiara starb 1791 im Alter von 73 Jahren.