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Musischer Adventskalender 2014: Tür #18: Mozarts Oratorium

mozartNikolaus Harnoncourt stand in den vergangenen Tagen und Wochen im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens – zu Recht, schließlich feierte der große Dirigent und Freigeist am 6. Dezember seinen 85. Geburtstag. Von mir kommen jetzt etwas verspätete Geburtstagswünsche: Herzliche Gratulation, lieber Maestro! und eine CD, die zeigt, dass Nikolaus Harnoncourt auch im hohen Alter nichts von seiner Neugierde, seiner Offenheit und seinem Forschergeist eingebüßt hat. Längst hat der Revolutionär der Alten Musik sein Repertoire bis in die Spätromantik erweitert und spielt von Schumann und Beethoven bis hin zu Bruckner und Strauss alles mit der selben Intensität und Leidenschaft. Einen besonderen Platz im Schaffen Nicolaus Harnoncourts hatte stets Mozart. Zwei geniale Geister, die eben gut zusammen passen. Mit dem Concentus Musicus hat Harnoncourt in den vergangenen Jahren nach und nach Mozarts frühe Symphonien aufgenommen, nun hat er sich den letzten dreien zugewandt. Über 60 Jahre intensive, immer währende Beschäftigung mit diesem Werk liegen zurück. Mit seiner Aufnahme stellt Nikolaus Harnoncourt nun eine revolutionäre These an, nämlich dass diese Werke einen Einheit bilden und von Mozart selbst als ein dramatisches Ganzes geplant waren. Demzufolge präsentiert sie Harnoncourt auch nicht als Einspielung dreier voneinander unabhängiger Werke, sondern als ein Instrumental-Oratorium. Den handfesten Beweis für diese geplante Trias liefern die Partituren selbst. So beginnt die Es-Dur-Symphonie mit einer richtigen Ouvertüre während die C-Dur-Symphonie (Jupiter) mit einem richtigen Finale endet. Die g-Moll-Symphonie hingegen hätte, so Harnoncourt, gar keinen richtigen Anfang. Also hören wir hier ein kühnes Oratorium in drei Sätzen, beginnend mit einer großen Intrada und einem fließenden Übergang vom Finale der Es-Dur Sinfonie zum Eröffnungssatz des g-Moll-Werks bis hin zu einem bravourösen Schlusssatz der C-Dur Symphonie. Das mag  zunächst ungewohnt klingen, macht dramaturgisch aber durchaus Sinn. Wieder ist Nikolaus Harnoncourt ein genialer Wurf gelungen und ein Impuls, Mozart in Zukunft mit neuen Ohren zu hören. Ganz zu schweigen von einem famosen Concentus Musicus, der die vielen Stimmungen und Klangfarben voll auszuloten vermag.

Mozarts Genie, das stets aufs Neue verblüfft

Falter

Adam Fischer (Foto: Lukas Beck)

Adam Fischer (Foto: Lukas Beck)

Sieben Jahre lang ist Ádám Fischer immer wieder nach Kopenha­gen gereist, um gemeinsam mit dem Danish National Chamber Orchestra alle 45 Mozart-Sinfonien aufzunehmen. Dabei ist Großes gelungen, was nicht zuletzt an Mo­zart selbst liegt, dessen Genialität stets aufs Neue verblüfft.

Seine erste Sinfonie schrieb Wolfgang Amadeus Mozart neunjährig. 69 weitere sollten folgen, von denen einige aber nicht oder nur fragmentarisch erhalten sind. Gerade die Kinder­ und Jugendsinfonien überraschen durch ihre Ausdruckskraft. Sie sind Spiegelbilder der Reisen, die Mozart mit seinem Vater in ganz Europa unternommen hat – kurze, zuvorkommende Stücke in drei oder vier Sätzen.

Dennoch offenbart sich bereits die Fähigkeit des Komponisten, eine unendliche Fülle an Farben und Emotionen zum Klingen zu bringen. 20 Jahre später waren Mozarts Sinfonien vollendete künstlerische Aussagen mit dem gleichen Gewicht wie seine Opern. Mit Mozart hatte das Drama in den Konzertsaal Einzug gehalten.

Ádám Fischers Mozart überwältigt und berührt zugleich. Herb und schroff klingt er, vor allem in den schnellen Sätzen. Wilder Sturm und Drang, helle Bläser, draufgängerische Streicher. Und dann diese zurückhaltenden, transzendenten Momente, wo die vollendete Schönheit von Mozarts Einfachheit zum Ausdruck kommt.

Angst, Bangen, kindlicher Humor, aufkommende Hoffnung, melancholische Abgeklärtheit –Fischer stellt in jeder einzelnen Phrase die emotionale Aussage in den Mittelpunkt und lässt sich dabei von der historischen Aufführungspraxis inspirieren: wenig Vibrato in den Streichern, was dem vollen, satten Klang keinerlei Abbruch tut. „Mozarts Werke werden, was das Orchester betrifft, nirgends besser aufgeführt als in dieser Hauptstadt“, berichtete Constanze Mozart 1811 aus Kopenhagen. Mit diesem Zyklus schließt sich zwei Jahrhunderte später der Kreis.

Adam Fischer & The Danish National Chamber Orchestra
W.A.Mozart 45 Symphonies

(Dacapo, 12 CDs)