Erotisch, rasend und selbstbewusst

Renée Fleming (Foto: Decca/Andrew Eccles)

Renée Fleming (Foto: Decca/Andrew Eccles)

Nach Wagner und Verdi wird in diesem Jahr Richard Strauss anlässlich seines Geburtstages vor 150 Jahren gedacht. Die Salzburger Osterfestspiele würdigen ihn mit einer Neuproduktion von dessen Oper „Arabella“. Es war das letzte Werk aus der Feder des Komponisten und seines kongenialen Textdichters Hugo von Hofmannsthal. In Salzburg singt die große Sopranistin Renée Fleming  die Titelrolle in Richard Strauss´ Arabella. Im Interview erzählt sie von ihrer Liebe zum Komponisten und erklärt, was es mit den Frauen bei Strauss auf sich hat.

In den 20 Jahren ihrer Zusammenarbeit erinnerten sich Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wohl gerne an den „Rosenkavalier“ zurück – es war ihr erfolgreichstes gemeinsames Werk. „Arabella“, jene Gesellschaftskomödie, die zur psychologischen Tragödie wird, sollte das letzte des kongenialen Duos sein. Die Welt der Arabella ist das Wien um 1860 (entstanden ist die Oper Anfang der 30er Jahre) und thematisiert dabei ausdrücklich die Wende zur „Moderne“. Die maroden Gesellschaftsstrukturen – Spiel, Ballseligkeit, Freizügigkeit – sind Anzeichen einer bevorstehenden Veränderung, für die symbolhaft die zu sich selbst findenden „Arabella“ steht. Hofmannsthal wies seinen Komponisten explizit auf die Modernität des Stoffes hin: Im Unterschied zum „Rosenkavalier“ sei, so Hofmannsthal, „die Atmosphäre der Arabella unserer Zeit schon sehr nahe, ist gewöhnlicher, natürlicher, ordinärer“. Arabella sei „eine durchaus moderne Figur“, „ein Typ von jungen Frauenwesen, welcher jetzt interessiert, und man muss nicht die alten Moden mitmachen, sondern die neuen kreieren helfen, sonst ist man ein schlechter Schneider“. In diesem „etwas ordinären und gefährlichen Wien“ spielt die Geschichte des hochverschuldeten Spielers Graf Waldner, der sich mit seiner Familie in ein Hotel zurückgezogen hat und nun danach strebt, seine beiden Töchter gut zu verheiraten. Die Rettung der Familie ist die gute Partie für die von Freiern umlagerte Arabella, doch es muss der ideale, wie aus dem Märchen entstiegene Mann sein: Mandryka. Die verzweifelt liebende Zdenka möchte nicht mehr Zdenko sein und stiftet amouröse Verwirrung, die die Liebe zwischen Arabella und Mandryka zu gefährden droht. Es folgt ein Spiel aus Gier, Vergnügungssucht, Verwechslungen, noblen Damen und die Suche nach dem „Richtigen“.

Frau Fleming, wann haben Sie die Musik von Richard Strauss für sich entdeckt?

Ich war noch ziemlich jung, als ich Auszüge aus dem Rosenkavalier gesungen habe. Damals habe ich noch in den USA studiert. Als ich nach Frankfurt gegangen bin, waren die Strauss-Lieder fester Bestandteil des Studiums. In Frankfurt habe ich die Gräfin in der Oper Capriccio gesungen, eine herrliche Produktion. Für mich war das war wohl die Initialzündung.

War Capriccio Ihre erste Strauss-Oper?

Nein, ich habe die Marschallin 1995 in Houston gesungen, anschießend Arabella und drei Jahre später die Gräfin. Ich würde so gerne auch die frühen großen Strauss-Rollen wie Salome und Elektra singen können, aber dafür fehlt mir leider Stimme. Strauss hat sehr sinnliche, für die Sopranstimme ganz wunderbare Musik geschrieben. Und ich finde, dass er großartige Frauenrollen geschaffen hat.

Wie sehen die Frauen bei Richard Strauss aus?

Erotisch, rasend und selbstbewusst. Die Heldinnen in seinen Opern waren für ihre Zeit eine Provokation – denken wir nur an Salome, Elektra oder die unvergesslichen Frauen wie die Marschallin im „Rosenkavalier“ oder eben „Arabella“. Alles leidenschaftlichen Frauenfiguren, um die der Komponist seine Klanggemälde schuf.

Arabella wird im Vergleich zum Rosenkavalier selten gespielt. Woran mag das liegen?

Hoffmansthal stellt hier eine schwierige Familiengeschichte dar, zu der Strauss wunderschöne, gleichzeitig aber hochkomplexe Musik komponiert hat. Im Vergleich zu den italienischen oder französischen Opernstoffen keine leichte Kost. Um die Oper zu verstehen, muss man in die geschichtlichen und gesellschaftlichen Umstände eintauchen. Es ist schwierig einen Stoff, der so tief in den historischen Kontext eingebettet ist, auf die Bühne zu bringen. Denn zeitversetzt funktioniert das Stück nicht.

Wie würden Sie Arabellas Charakter beschreiben?

Ambivalent. Arabella ist devot und emanzipiert zugleich. Die Art, wie sie mit ihren Verehrern umgeht, sie zurückweist, mag vielen wenig sympathisch erscheinen, wenn man den Kontext nicht kennt. Dass Frauen ihren Partner aus Liebe wählen, was bis dahin undenkbar gewesen. Hier zeigt sich eine neue, emanzipierte Frau, deren Vorstellung vom „Richtigen“ nichts mit Geld, Politik oder gesellschaftlichen Konventionen zu tun hat. Es ist der romantische Wunsch nach echter Liebe.

Fiel es Ihnen schwer, sich mit Arabella zu identifizieren?

Ich musste mich intensiv mit der Geschichte beschäftigen, um sie zu verstehen. Wie lebten die Menschen damals? Welches Frauenbild gab es? Es war eine Zeit voller Umbrüche, aus psychologischer und gesellschaftlicher Sicht. In der Ruhelosigkeit der Großstadt sehnt sich Arabella nach dem reinen, aufrichtigen Gefühl und sucht in aller maßlosen Verlorenheit um sie herum unbeirrt nach dem „Richtigen“.

Hat sich Ihr Zugang zu der Rolle mit der Zeit verändert?

Ich habe Arabella nicht sehr oft gesungen. Während ich die Marschallin in Lauf der Jahre weiterentwickeln konnte, ist es bei Arabella beinahe das Gegenteil. Vor kurzem kamen meine Töchter ins Teenager-Alter. Das hat mir geholfen, mich daran zu erinnern, was es bedeutet jung und selbstbewusst zu sein.

Wie hat Richard Strauss die Rolle musikalisch gestaltet?

Himmlisch! Strauss hat herrliche romantische Momente geschaffen, aber auch Momente voller Stärke und Selbstbewusstsein. Arabella es ist eine schwere Rolle, lang und kraftraubend. Stimmlich liegt die Rolle höher als die Marschallin und Gräfin Madeleine. Musikalisch macht das Sinn, weil ja Arabella die jüngste ist.

Gibt es einen Bezug zwischen diesen drei Frauen?

Die drei Charaktere könnten tatsächlich ein und dieselbe Frau in unterschiedlichen Altern und Lebensumständen sein. Madeleine steht in der Mitte einer Entwicklung, die mit Arabella beginnt und mit der Marschallin endet. Drei intellektuelle, selbstbewusste und selbstreflektierte Frauen, die sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigen. Das macht sie einzigartig.

Sie stehen zum ersten Mal mit Thomas Hampson auf einer Opernbühne. Ist er der „Richtige“ nach dem Arabella sucht?

Ich habe das Duett des zweiten Aktes mit Thomas zwar gemeinsam im Konzert gesungen, aber noch nie auf der Opernbühne. Er ist ein fantastischer Sänger und für mich der ideale Mandryka – groß, dunkel und gutaussehend (lacht).

Wie gefällt Ihnen die Inszenierung?

Ich denke Florentine Klepper hat die perfekte Balance gefunden etwas Neues zu schaffen, ohne dem Stoff Gewalt anzutun. Ich mache nicht sehr viel Oper. Aber wenn ich auf einer Opernbühne stehe, dann will ich sicher sein, dass die Produktion die Menschen anspricht und ich mich darin wohl fühle.

Wie geht es Ihnen nach so vielen Jahren auf der Bühne?

Es ist immer noch faszinierend. Allerding sehe ich mich heute weniger als Sängerin. Ich will jemand sein, der zu den Menschen spricht und ihnen eine Geschichte erzählt. Ich wünsche mir, dass sich das Publikum fallen lässt und dabei vergisst, dass es in der Oper ist.

Termine: Samstag, 12. April und Montag, 21. April jeweils um 18 Uhr im Großen Festspielhaus