Einst pfiffen die markanten Töne auch durch die Alpentäler, heute ist dieses traditionsreiche Volksmusikinstrument bei uns weitgehend vergessen. Im steirischen Trastal feiert der Dudelsack fröhliche Urständ.
“Viele glauben, Dudelsäcke sind etwas Urschottisches”, sagt Stefan Widhalm, “dabei stammt der lederne Luftsack mit Spiel- und Bordunpfeifen aus Kleinasien. Im Mittelalter war er über ganz Europa und vor allem auch bei uns im Alpenraum verbreitet, seine Blütezeit erlebte er im 17. und 18. Jahrhundert.”
Stefan Widhalm ist Instrumentenbauer. Er fertigt Dudelsäcke in Handarbeit. Eine Kunst, die in Österreich um 1900 ausstarb, nachdem in der Volksmusik die Geigen ihren Part übernommen hatten. Dabei soll schon Kaiser Nero auf einem Dudelsack gespielt haben. Und auch in der Bibel haben Sackpfeifen Erwähnung gefunden. „Den letzten Dudelsackspieler“, sagt Stefan Widhalm, „soll es in den Dreißiger Jahren im Mühlviertel gegeben haben“.
Der gebürtige Wiener hat sich auf den Bau von heimischen Sackpfeifen spezialisiert, und die, erklärt er sogleich, haben nur wenig mit dem schottischen Dudelsack zu tun, der erschreckend laut sein kann. Hümmelchen und Duday klingen im im Vergleich zu den schrillen Schottischen Dudelsäcken sanft und lieblich. Sie können daher getrost auch drinnen gespielt werden, ohne dass die Ohren schmerzen.”
In seiner Werkstatt, die in einem wunderschönen altern Bauernhaus im obersteirischen Trastal untergebracht ist, dreht sich alle rund ums Holz. Für seine Instrumente verwendet er hauptsächlich heimische Hölzer: Zwetschge, Birne oder Flieder. Auf Wunsch kommen auch afrikanisches Grenadill-Holz oder Ebenholz zum Einsatz, das sei aber sehr selten und entsprechend teuer. Stefan Widhalm legt die Länge für die Pfeife fest und schneidet den unbehandelten Holzblock zurecht. . „Schroppen heißt das“, sagt er und deutet mit der Hand Abstand zu nehmen. Es ist jetzt laut in der Werkstatt, überall fliegen die Spänen, es riecht nach Moos und Wald. Stefan Widhalm bohrt ein Loch nach dem anderen in die Melodiepfeife – Millimeterarbeit: wenn hier etwas schief geht, war alles umsonst. Zwischen 30 und 100 Arbeitsstunden benötigt er für die Fertigung eines Dudelsacks, weil die Einzelteile zwischen dem Imprägnieren, Bohren und Drechseln immer wieder ruhen müssen.
Die Leidenschaft für Musik entstand schon in seiner Kindheit. Als kleiner Bub lernte er Cello und Klarinette, später besuchte er das Musikgymnasium in Wien. Weil er nach der Matura für den „klassischen“ Instrumentenbau in Wien keine Lehrstelle fand, ging er zuerst an die Fachschule für Kunsthandwerk nach Hallstatt und später zu einem Dudelsackbauer nach Deutschland. Zurück in Wien, eröffnete er eine Dudelsackwerkstatt – die erste überhaupt – in der Liechtensteinstraße. Das war 1994. Heute ist er längst nicht mehr der einzige Dudelsackbauer in Österreich, den stolzen Namen „Erste Österreichische Dudelsackwerkstätte“ hat er sich jedoch beibehalten.
Für den Sack, der dem Instrument den Namen gibt, verwendet Stefan Widhalm Rindsleder. Möglichst naturbelassen muss es sein, damit es gut atmen kann. Wichtig ist, dass das Material dicht ist, denn die Luft darf nur durch die Pfeifen entweichen, und gleichzeitig feuchtigkeitsdurchlässig, damit sich im Inneren kein Schimmel bildet. „Ich habe schon Sackpfeifen gesehen, die aus einem Autoschlauch oder Gore-Tex gefertigt waren“, wundert sich er und lässt eine zähflüssige, übel riechende Masse in den Sack hineinfließen. „Aus Glycerin und Knochenleim, das dichtet das Leder ab.“
Zum Schluss werden die Rohre am Ledersack fixiert. Stefan Widhalm behandelt den Faden zuerst mit Schusterpech und wickelt ihn dann um Leder und Holz. “Heute werden wesentlich bessere Dudelsäcke gebaut als vor 200 Jahre”, sagt er. “Dank neuer Materialien und Techniken sind sie wendiger und spielbarer.” Bei seiner Arbeit ging es Stefan Widhalm stets darum. die Instrumente bis weit über die technischen Grenzen hinaus zu erforschen. Andere begnügen sich mit dem Instrumentenbau, Stefan Widhalm beschäftig sich seit mehr als 15 Jahren mit Klang und Spielweise der Instrumente. Das Ergebnis sind Dudelsäcke mit bestechender Klangqualität und Tonstabilität.
Die Instrumente aus dem Trastal gibt es ausschließlich auf Bestellung. Sie sind kunstvoll verziert, jedes Stück ist ein Unikat und vom Rohrblatt bis zum Luftsack maßgefertig. Je nach Modell und Ausarbeitung kostet ein Dudelsack aus der Steiermark zwischen 800 und 3000 Euro. Zufrieden begutachtet Stefan Widhalm jetzt das fertige Instrument und klemmt sich den Luftsack unter den Arm. Resolut bläst er zwei-, dreimal in die Bordunpfeife, schon ist er da, der intensive Dauerton, über dem nun eine virtuose Melodie erklingt. „So ein Dauerton hat’s in sich. Da sind Spannung und Kraft dahinter”, sagt der Meister. Auf diesen Augenblick hat er lange gewartet: wenn das Instrument zum Leben erweckt wir, wenn aus dem Holz ein Ton kommt und es anfängt zu singen. Ein Weilchen bleibt das kostbare Stück noch bei seinem Meister. Das Schwierigste, sagt Stefan Widhalm, sei das Einspielen des Rohrblatts aus Schilfrohr. Weil sich die Tonhöhe durch Feuchtigkeit leicht verändert, muss man es so lange einspielen, bis das Rohrblatt exakt auf die Pfeife passt. „Eine heikle Angelegenheit, die bis zu zwei Wochen dauern kann.”
Gut Ding braucht eben Weile.