„Ich war kurz davor das Handtuch zu schmeißen!“

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Richard Wagner: Parsifal

Richard Wagner: Parsifal

Die Osterfestspiele sind tot, es leben die Osterfestspiele! Nach dem Finanzskandal (getürkte Rechnungen, ein Schaden von bis zu zwei Millionen Euro und ein versuchter Suizid) und dem plötzlichen, sehr unfeinen Abgang des Haus- und Hoforchesters des Festivals (die Berliner Philharmoniker bespielen seit dieser Saison das Osterfestival in Baden-Baden), weht heuer ein frischer Wind in der Residenzstadt Salzburg.

Keine drei Wochen hatte der britische Musikmanager und geschäftsführende Intendant des Festivals Peter Alward damals Zeit, um Ersatz zu finden und so den Fortbestand der exklusiven Osterfestspiele zu sichern. Ein Rennen gegen die Zeit, erinnert sich Alward, schließlich hörten in Salzburg so manche bereits die Totenglocken läuten. Zu teuer, zu elitär, zu unrentabel hieß es immer wieder. „Ich glaube es waren die schlimmsten drei Wochen meines beruflichen Werdegangs“.

An den besagten Freitag den 13ten erinnert sich Peter Alward als wäre es gestern gewesen: „Ich war kurz davor das Handtuch zu schmeißen“. Nach einer schlaflosen Nacht, in der er immer wieder den Namen Thielemann auf ein Papier kritzelte, rief er seinen Anwalt an, um über seinen Ausstieg zu besprechen. „Aber wie es der Zufall so wollte, hatten ich und Thielemann denselben Anwalt“. Statt ihn aus vorzeitig aus dem Vertrag zu entlassen, arrangierte dieser ein Treffen mit dem Dirigenten – der Rest ist Geschichte.

„Man braucht im Leben zwei Dinge: gute Freunde und viel Glück“, sagt Peter Alward, „ich hatte beides“. Der Coup war perfekt. Von einem „Geniestreich“ und der „besten aller Lösungen“ war zu lesen, als Alward der Presse die Verpflichtung der Staatskapelle Dresden und ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann vorstellte. „Mir war klar, dass es nur dann funktionieren kann, wenn jemand gefunden wird, der den Geist der Festspiele versteht“. Für Peter Alward bringt Thielemann alles mit, was ein Musiker braucht: Ernsthaftigkeit, tiefe Seriosität und höchste Musikalität. Eine Leitfigur also, die man in Salzburg seit dem Tod Herbert von Karajans vor 23 Jahren so schmerzlich vermisst hatte. Dass die Dresdner mit Christian Thielemann blendend in die Gemengelage aus Glamour und Konservatismus passen, wie sie sich die lokale Geschäftswelt als auch die Kundschaft ersehnen, wie Die Welt es treffend formulierte, ist bestimmt kein Nachteil.

Der Kapellmeister Thielemann bleibt bescheiden. „Es ist ein besonderer Schritt, vor allem in der Tradition der Leute, die hier schon tätig waren. Man muss sich ja immer einreihen“. Und wo er sich da einreiht, das weiß Thielemann ganz genau. Christian Thielemann, der nicht nur als einer der besten Wagner-Dirigenten gilt, sondern als der deutsche Orchesterleiter, kam schon in seinen ganz frühen Jahren mit seinem Mentor Herbert von Karajan nach Salzburg, um bei den Osterfestspielen mit ihm zu arbeiten. Damals, 1981, wurde der Parsifal einstudiert und wie es der Zufall so will, steht in der ersten Spielzeit mit Thielemann erneut Parsifal auf dem Programm. Thielemann: „Natürlich kommen die Erinnerungen hoch. Das sind die ersten Eindrücke, die ganz einfach meinen Qualitätsstandard bestimmt haben“.

Nach dem Sündenfall der vergangenen Jahre, dem aus Aix-en-Provence importierten „Ring des Niebelungen“, besinnen sich die Osterfestspiele zudem wieder ihrer Wurzeln – Qualität und Exklusivität. Ab sofort gilt das ius primae noctis: sämtliche Opern-Neuinszenierungen werden in Salzburg ihre Premiere feiern, ehe sie nach Dresden weiterwandern. Außerdem, so Alward, werde es kein einziges Konzert geben, das die Staatskapelle in Dresden oder in ihren 35 Tourneekonzerten weltweit bereits gespielt hat. „Das sind wir unserem Publikum, aber auch unseren Förderern und Sponsoren schuldig“.

In der kurzen Planungszeit hat es Peter Alward zudem geschafft Größen wie Evgeny Kissin oder Johan Botha nach Salzburg zu holen, Künstler die eigentlich auf Jahre ausgebucht sind. Dass es überhaupt gelungen sei, das „neue“ Orchester mit seinem künstlerischen Leiter nach Salzburg zu verpflichten, konnte, so Alward, nur Dank des außerordentlichen Engagements der beteiligten Partner in Dresden und Wien realisiert werden. Für die Rettung des Projekts „Osterfestspiele Salzburg“ entließ nicht nur Staatsoperndirektor Dominique Meyer Thielemann aus seinem Vertrag für einen Lohengrin im Jahr 2014; der im vergangenen Jahr verstorbene Semperopern-Intendantin Ulrike Hessler gelang es, sämtliche Spielpläne des Opernhauses in kürzester Zeit umzubauen und auf Salzburg abzustimmen.

Und doch ist nicht alles beim Alten geblieben. Peter Alward hat sich in der Preisgestaltung durchgesetzt; erstmals in der Geschichte der Osterfestspiele wurden die Kartenpreise gesenkt, um immerhin 6,5%. Für die teuerste Opernkarte muss man ab heuer statt 510 „nur“ mehr 490 Euro berappen. „Früher“, sagt Peter Alward, „war man ohne weiteres bereit für eine ‚Erste Nacht’ mit Herbert von Karajan eine Menge Geld hinzublättern“. Und heute? „Heute entscheiden die Leute viel spontaner, das macht es sehr viel schwieriger zu kalkulieren. Die großen Firmen werden vorsichtiger, der Trend hat sich verschoben, von öffentlichen Sponsoren hin zu privaten Mäzenen“.

Peter Alwards Credo lautet: die Osterfestspiele neu zu definieren ohne dabei die Wurzeln zu vergessen. Gerade wegen seiner elitären Anmutung stand das Festival in Salzburg immer wieder in der Kritik. Das soll sich nun ändern, in Ansätzen zumindest. Das neue „Konzert für Salzburg“ richtet sich mit einem maßgeschneidertem Wagner-Verdi-Programm und erschwinglichen Kartenpreisen zwischen 10 und 70 Euro erstmals an all jene, die sich die Luxusware Osterfestspiele nicht leisten können oder wollen. „Dass das überhaupt realisierbar war, haben wir den Künstlern zu verdanken, die bereit waren für diesen Abend auf die Hälfte ihrer Gage zu verzichten“, freut sich der Intendant. „Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass wir im 21. Jahrhundert leben. Wir müssen uns einem jüngeren Publikum gegenüber öffnen“.

Peter Alward ist ein ruhiger und besonnener Mann. Skandalträchtige Auftritte sind ihm ebenso fremd wie Chici-Mici-Gehabe. Zu den Streitereien rund um Alexander Pereira äußert er sich nicht, und Groll scheint er nicht einmal gegen die Berliner Philharmoniker zu hegen. Er ist einer der wenigen amtierenden Festivalleiter, die sich auch die Popularisierung der Klassik durch pädagogische Konzepte und Konzerte für Salzburg  zum Ziel gesetzt hat. „Im Mittelpunkt stehen die Kunst und die Künstler“, sagt Peter Alward. „Letztendlich sind sie diejenigen, die Abend für Abend auf der Bühne stehen und ihren Kopf hinhalten. Wir sind maximal Ermöglicher.“

Geschickt ist es dem distinguierten Briten gelungen bei einem Festival, das einzig und allein vom Wohlwollen der Sponsoren und Mäzenen abhängt, ein gesundes Gleichgewicht im Sinne der Kunst zu finden. „Die Zeiten, wo wir Kulturmanager uns zurücklehnen können und das Geld von alleine in die Kassen fließt, sind lange vorbei“. Die Geldgeber wollen schließlich gepflegt und bei Laune gehalten werden. Eine Einmischung in die künstlerischen Belange käme für Peter Alward aber nicht in Frage. „Dagegen verwehren ich mich vehement“.

Macht sich so kurz vor dem Anpfiff eigentlich Nervosität breit, Herr Alward? Der Brite nimmt´s gelassen. „Ich bin von Natur aus Pessimist und rechne immer mit dem Schlimmsten. In diesem Sinne kann es ja nur besser werden“.